4.5. Metrische Gesetzmäßigkeiten

Für einen nach Ebenmaß geplanten symmetrischen Ausbau der repräsentativen Steinbauphase zwischen dem 1. und 3. Jahrhundert entsprechen die Messdaten der vorausgegangenen geophysischen Prospektion von ermittelten 104 m Seitenlänge. Wie bereits dargestellt, unterliegt die römische Baukunst metrischen Gesetzmäßigkeiten. Nachweislich wurden die Vorgaben VITRUV’s - Bauen nach Ebenmaß - auch bei der Projektierung der Palastvilla in Vichten auf allen nachweisbaren Ebenen angewandt.

Erinnert sei an die planvolle Anlage der Domäne: die Länge des Hauptgebäudes - Anbauten oder Erweiterungen nicht berücksichtigt – beträgt 350 pes (103,5 m). Das entspricht, ausgehend von der Breite beziehungsweise Tiefe des Mosaiks von 35 pes (10,35 m), einer Wohnfläche von mehr als 1000 qm. Interessant als Detail ist das Verhältnis von Länge zu Breite von 10:1 und offenbart metrische Gesetzmäßigkeiten, die auf die gesamte Domäne übertragbar, als Verdoppelungsparameter auf die Abstände zu den Nebengebäuden, Landmarken, Geländeformationen und sogar auf eine römische Trümmerstelle auf dem Plateau der gegenüberliegenden Seite auswirkte.

Wie im planvollen Großen, so galten die Gesetzmäßigkeiten auch im Zentralraum mit dem „Musen-Mosaik“. Beim kleinsten, den Mosaikwürfeln angefangen, die mit einer Seitenlänge von etwa 1 cm, das sind rund 1/2 digiti (1 digiti = 1,85 cm), 30mal kleiner sind als der Durchmesser der gefüllten Pelten in Doppelreihe, mit exakt 1 pes, dem römischen Fuß. Ebenfalls orientiert sich die Vierblattrosette im Diagonalschachbrettgrund am römischen Fuß mit 1 pes im Durchmesser (1 Fuß = 29,57 cm) oder die Diabasscheibe aus der Wandverkleidung in opus sectile mit 29,4 cm Durchmesser. Hingegen die vier Eckzwickel im Außendurchmesser und das Zentralmedaillon in der Diagonalen mit jeweils 3 pes.

Auch die Ausstattung der Wände oblag dem Bauen nach Ebenmaß. Die massiven Marmorverkleidungen, die untere Reihe in Kohlenkalk und die darüber liegende im Buntmarmor, wurden auf Längen von über 150 cm geschnitten. Da die Platten aneinandergereiht wurden, brauchte es keine Gesetzmäßigkeit. Hingegen in der Vertikalen bestimmte die Proportionslehre die genauen Maße. Exakt 2 pes messen die Marmorplatten in der Höhe. Die abgerundeten Leisten, die die Marmorplattenreihen horizontal optisch trennten, sind 1 digiti dick.

Ein Grund für den Abriss der Mauer war sicherlich die Berücksichtigung des Goldenen Schnitts in Bezug auf die Seitenlängen und der daraus resultierenden Mosaikfläche. Erst die Zusammenlegung der beiden ungleich großen Räume zum prächtigen Zentralraum, ermöglichte die Anwendung der antiken Proportionslehre. Diese leitet sich ab durch Beobachtungen von Gesetzmäßigkeiten in der Natur – eine mathematische Schönheitsformel. Die Kenntnis der Proportionslehre vom Goldenen Schnitt, der sectio aurea, war schon in der griechischen Antike bekannt und ist vor allem an den griechisch-dorischen Tempelanlagen ablesbar (). Maßgeblich war das wohlproportionierte Verhältnis der Säulen zur Gesamthöhe. Eine andere Möglichkeit den Goldenen Schnitt als konstantes Längenverhältnis anzuwenden, wie in Vichten umgesetzt, war, die beiden Seitenlängen im harmonischen Verhältnis zur Gesamtlänge zu berücksichtigen. Die Länge des Mosaiks mit 20 pes (= 5,87 m) und die Breite mit 35 (= 10,26 m) pes.

Goldener Schnitt am „Musen-Mosaik“ (1:1,618):

Strecke A-B = 38,2 % (5,87 m) + Strecke B-C = 61,8 % (10,26 m) entspricht Strecke A-C = 100% (16,13 m)

Bibliografie

Koch 1998
Koch, W. (1998). Baustilkunde: Das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegenwart. Gütersloh.