2.8.4. Vorgefertigte Gesimsleisten und „Flicken“

Um die beiden umlaufenden Marmorplattenreihen optisch horizontal zu gliedern, wurden Leisten aus Marmor rechtwinklig in den frischen Mörtel gedrückt. Aus den großen Marmorplatten wurden in der Regel 23 mm dicke Streifen geschnitten und eine Kante - die Schauseite - rund geschliffen (siehe Abb. 51), wobei die Spannbreite der Materialstärke der Rundstege zum Beispiel in der Nord-Ost-Ecke zwischen 19 mm (1 digiti) und 25 mm variierte. Augenscheinlich sind die Leistenstücke mit 11 mm Dicke aus einem grobkörnigen, transluziden weißen Marmor. Womöglich sind diese weißen Marmore regionaler Produktion eine kostengünstige Alternative zum mediterranen Marmor und stammen aus den Kalzitgängen des „Gris des Ardennes“ ().

Allen abgerundeten Gesimsleisten gemein ist die trapezförmige Aufsicht und der konische Längsschnitt, der ein fugenloses Verlegen ermöglichte. Einige Leisten wurden vorgefertigt, da alle Kanten, bis auf die abgerundete Schauseite, einen glatten Sägeschnitt zeigen. Reste von einem Steg zeigen Herstellungsbedingt den vorzeitigen Bruch von der Platte. Wiederum andere wurden wohl auf der Baustelle aus langen Streifen schräg abgeschlagen und konnten so passgenau, ohne störende Fugen, zusammengesetzt nun ein langes Band bilden. Hier wurden Längen von über 40 cm verarbeitet. Auch diese Elemente wurden an den Stoßkanten sorgfältig geglättet. Im Durchschnitt sind die Leisten 4 cm hoch.

Dass die Leisten in der Wanddekoration vielseitig eingesetzt wurden, illustrieren Beobachtungen aus der gallo-römischen Villa von Montmaurin (Départemnet Haut-Garonne) (). Hier rahmten Marmorleisten römische Wandmalereien. Aus der gallo-römischen Villa von Merbes-le-Château (Province Hainaut) sind in Form und Farbe identische Leisten von opus sectile erhalten geblieben. Wobei sich im Gegensatz zu Vichten, das Farbspektrum der 11 mm und 23 mm dicken Leisten auf weißem und hellgrauem Marmor beschränkt.

Expand Expand Abb. 51
Horizontalgliederung mit Leisten in Buntmarmor und schwarzgrauem Kohlenkalk in verschiedenen Formaten (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Aus den Längen der beiden West- und Ost-Wände, jeweils 10,26 m und 10,30 m, und der Nord-Wand, 6,05 m, des Saales ergibt sich eine Gesamtlänge von 26,61 m. Die beiden Mauerzungen, die den Eingangsbereich verjüngten, waren nicht getäfelt (siehe Abb. 54). Von den schwarzen Riemchen blieben rund 15,52 m, von den weißen 6,85 m erhalten. Ähnlich verhält es sich mit den rechtwinkligen Eckstücken der Marmorplatten. Die Ecken der unteren Reste der Kohlenkalkplattenreihe konnten bis auf die moderne Störung vollzählig geborgen werden. Aus den Fundschichten kamen 12 schwarze und 24 weiße Ecken hinzu. Ein zu erwartendes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass die oberen Fundschichten überwiegend mit dem Buntmarmor und den vielfarbigen Marmorintarsien durchmischt waren. Diese ging, neben einem Großteil der Fläche vor der West-Wand, bei den neuzeitlichen Umbauarbeiten verloren.

Neben den vorgefertigten Gesimsleisten gehörten auch rechteckige und trapezförmige „Flicken“ zum Fundhorizont. Die Materialstärke bewegt sich zwischen 5 mm und 20 mm, die Kanten sind mit der Steinsäge geschnitten sowie teilweise gemeißelt und abgeschliffen. Wie oben (siehe Abb. 39) zu sehen, wurden materialbedingte Fehlstellen in den Marmorplatten mit vorgefertigten Passstücken geschlossen. Dies spricht für die Annahme, dass eine Vorfertigung der Marmorverkleidung in der Nähe des Steinbruchs erfolgte und als Endprodukt den Steinbruch verließ. Die Kanten sind überwiegend mit der Steinsäge geschnitten und abgeschliffen, teilweise gemeißelt (siehe Abb. 52). Denn „Fabrikationsfehler“, die materialbedingt oder der Verarbeitung geschuldet waren, wurden mit mehreckigen Einsätzen kaschiert (siehe Abb. 53a und Abb. 53b). Die aus dem Schutt aufgelesenen Kohlenkalkreste stammen aus der Nord-Ost-Ecke. Der vorgefertigte Keil schließt den rechten Winkel und ermöglichte einen fugenlosen Anschluss an die nächste rechteckige Marmorplatte. Die Fehlstellen wurden exakt mehrwinklig begradigt und passgenau mit gleichgroßen dünneren - leichter zu verarbeitenden - Steinflicken geschlossen. Sozusagen eine Maßarbeit auf Vorbestellung, die eine eng vernetzte Struktur und Logistik der verschiedenen Gewerke im Bausektor voraussetzten ().

Expand Expand Abb. 52
An der Schmalseite einseitig polierte Gesimsleisten, Passstücke und Formelemente von opus sectile als Beispiele für die Vorfertigung als Endprodukt im Steinbruch (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)
Ein weiteres Beispiel einer millimetergenauen Reparatur einer beschädigten Ecke mit einem vorgefertigten Keil, Ost-Wand (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Bibliografie

Dreesen et al. 2018
Dreesen, R., De Ceukelaire, M., & Ruppienné, V. (2018). On the roman use of ‘Belgian marbles’ in the Civitas Tungrorum. In Études et documents archéologie, 38, S. 25-50. Namur.
Dumont et al. 2018
Dumont, G., Authom, N., & Paridaens, N. (2018). The ornamental stones of the ‘Champ de Saint-Éloi Villa’ in Merbes-le-Château (Province of Hainaut, Belgium). In Études et documents archéologie, 38, S. 262-268. Namur.
Mielsch 1985
Mielsch, H. (1985). Buntmarmore aus Rom im Antikenmuseum Berlin. Berlin.