4.2.4. Setzkasten = Emblemata

Bei kleineren Mosaikfeldern sind beide Setzverfahren denkbar. Es sind meist figürliche Darstellungen, die als Einzelfeld als Einschubmosaik in der Technik des spezialisierten vermiculator - also mit kleinsten tessellae - vorfertigt wurden. Zu bedenken ist, dass bei einer nachgewiesenen Kantengröße von 2 mm bis 7 mm die kleinen Auflageflächen der Kuben die Tendenz haben im Kalkbrei zu versinken. Aus diesem Grund wurden die Steine nicht im Duktus der feingliedrigen Figurenmedaillons in den frischen Bettungsmörtel am Ort der Mosaikverlegung gedrückt. Abhilfe schaffte hier in der Antike der „Setzkasten“ oder das „Setztablett“, welche dem Spezialisten die komplizierte Arbeit im Atelier erleichterten. Ein besonders zäher dünner Kalkbrei als Unterschicht erlaubte, beispielsweise auf einem Brett, Ziegel- oder Steinplatten, das minuziöse, direkte Setzen des Bildes. Durch die vorsortierten und in Kisten im Atelier gelagerten Kleinstwürfel war ein rasches wetterunabhängiges Arbeiten am Tisch möglich. Als Transportsicherung klebte der Mosaizist mit löslichem tierischem Leim ein Stück festen Stoffs auf die Schauseite und verpackte die vorfabrizierten Emblemata zum Beispiel in Strohkisten. Beim Einpassen und Pressen in den vorbereiteten Mosaikboden mussten nur noch nach dem Aushärten des Klebemörtels die Transportsicherung abgenommen und die Fugen im hellen Hintergrund mit Steinkuben aufgefüllt werden. In Vichten wurden keine Ziegel- oder Steinplatten als Setztablett im römischen Estrich vorgefunden.

Wir können nur vermuten, wie der antike Mosaizist beim Setzen einer Figur vorging. Als Erstes musste der mosaikgerechte Entwurf vom Karton, der nicht zwingend schon die Größe des Mosaiks hat, maßstabsgerecht mittels Quadratnetz ritzend oder malend auf die Unterlage übertragen werden. Wahrscheinlich übernahm der Mosaizist, die für das Mosaik so charakteristischen, formenden Schattenriss- beziehungsweise Silhouettenlinie für das Setzen der ersten Steinreihe, um anschließend die Linien der Gesichtszüge, Schattierungen und Gewandfalten als andamento folgen zu lassen: der Formungsmöglichkeiten durch die Führung der tessellae-Linien mit ihren Fugen (). Das Ergebnis erinnert an zweidimensionale „Umrissmalerei“ auf schwarz- und rotfiguriger griechischer Vasenmalerei, die ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. die führende Gefäßdekorationsform wurde (siehe Abb. 186). Im Duktus der Umrisse und Innenlinien füllte nun der Meister die leeren Flächen entsprechend der Körpermodellierung mit fein abgestuften Tönungen unter Berücksichtigung der natürlichen Licht- und Schattenwirkung (siehe Abb. 124). Allein durch die Fluchtrichtung der Steine und den einhergehenden Fugen wurde dieser Effekt erreicht und sollte Dreidimensionalität, als plastische Wirkung, sowie leicht lesbare Formen erzeugen. Zu dieser betonten Körperlichkeit ruhen die Figuren wie Schattenrisse auf dem klaren und ruhigen Grund und heben sich von diesem ab. Die meist aus zwei Steinreihen bestehenden Figurenbegleitlinien auf dem weißen Grund verstärken diesen Effekt. So wirkt auch der zweidimensionale, hellenistische Charakter der Umrissmalerei in den dekorativen Rahmungen der Medaillons, der „illusionistischen hellenistischen Malerei weiter, als ob die Maler gerne ihre Geschicklichkeit mit diesen einfachen Tricks beweisen wollten“ ().

Expand Expand Abb. 124
Schattenrisslinie und fein abschattierte Tönungen des Inkarnats mit rosaroten, roten und gelben Mosaiksteinen aus Kalkvarietäten - Kopf des Homer, Ausschnitt aus Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Bibliografie

Fischer 1969
Fischer, P. (1969). Das Mosaik, Entwicklung, Technik, Eigenart. Wien und München.
Woodfield 2003
Woodfield, R. (2003). Das Gombrich Lesebuch. Ausgewählte Texte zu Kunst und Kultur. Berlin.