4.1.8. Beobachtungen beim Freilegen der Rückseiten am „Musen-Mosaik“

Das Mosaik lebt von seiner vielfältigen farbigen Gestaltung. Um diese umzusetzen, benötigt der Steinteppich einen tragfähigen und dauerhaften Untergrund. Aus diesen Anforderungen lernten die antiken Mosaizisten und perfektionierten das Handwerk soweit, dass das Ergebnis ihrer Bemühungen 1750 Jahre in Vichten ohne größere Schäden in der Erde überdauert.

Auffällig sind die klaren Trennungslinien an den Außenkanten der Medaillons im nucleus (siehe Abb. 112). Der eingeschlämmte rote Tonschlicker zwischen der feinen Ausgleichsschicht, dem Kalkklebebrei für die tessellae und des Bettungsmörtels konturierte nun sichtbar die Arbeitsschritte beim Setzen des Bildfeldes, der figürlichen Darstellung im Bodenmosaik. Besonders die Rückseite von Feld XV bot den Blick auf die ringförmig (gelbe Markierung) um den Fixpunkt des vorfabrizierten Zentralemblema, während der helle Grund bis zum Flechtband mit Mosaiksteinchen „gefüllt“ wurde.

Das Mosaik wurde anscheinend partiell in Kompartimenten und nicht von vorne nach hinten in einer Richtung verlegt. Dies bestätigen auch die negativen Abdrücke der Begrenzungen aus Holzlatten auf den Rückseiten der meisten Mosaikfelder im Kalkbrei. Die gleiche Methode wurde ebenfalls auch bei der Projektierung und Ausführung der vorfabrizierten Medaillons angewandt. Im Unterschied zu den hölzernen Begrenzungen auf dem nucleus - um in einem zweiten Arbeitsschritt die Füllflächen zwischen den Medaillons zu schließen - erfolgte die Fixierung der Setzholzrahmen für die Medaillons auf dem rudus selbst. Sozusagen als Fixpunkte in dem konzentrischen Kompositionsschema, orientierten sich die Mosaizisten an den nivellierten Medaillons beim Verlegen der geometrischen Restfläche. In die Felder, welche die überkreuzenden Schnüre für die Medaillons vorgesehen hatten, wurden 4 cm dicke Holzrahmen eingesetzt, nivelliert und anschließend mit nucleus bündig aufgefüllt. Jetzt bedurfte es nach der Aushärtung nur noch als Kleber eines feinen Kalkbreis, dem nucleus testa, um das vorgefertigte Figurenemblema anzupressen.

Expand Expand Abb. 112
Freilegung der Rückseite mit angedeutetem Einschubmosaik, dem emblema und Rahmenleiste, Feld XV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1999)

Anhand der Befunde könnte die Verlegung des Mosaiks in weiteren Arbeitsschritten wie folgt ausgesehen haben (siehe Abb. 113a bis Abb. 113e und Abb. 83): großflächige Nivellierung des rudus, dann die Fixierung der vorfabrizierten figürlichen Einsatzmosaike auf dem gerahmten nucleus mit frischem Kalkbrei, dem nuclesus testa. Dieser wiederum konnte mit dem noch nicht ganz ausgehärteten frischen nucleus eine sehr feste Verbindung eingehen, die die Hebung und somit Bergung des Mosaiks erheblich erschwerte. Hiervon war vor allem das Feld XI, mit der Muse POLYMNIA, betroffen (siehe Abb. 114): tessellae, nucleus testa und nucleus bildeten konturgenau eine kompakte Einheit und ließen sich beim Bergen sehr schlecht abstemmen. Als direkte Folge des schwer kalkulierbargen Schadensrisiko beim Stemmen, wurden die losen tessellae kartiert, eingesammelt, und später wieder an gleicher Stelle eingesetzt.

Mögliche Abfolge der Arbeitsschritte am Beispiel der Muse AERATO (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2022)

Legende Abb. 113

  1. Einfügen der Setzrahmen aus Holz oder Metall in die Kreisordnung
  2. Zentrieren und Ausrichten des Firgurenmedaillons
  3. Kürzen des Emblemas wegen Platzmangels und mangelhafter Ausrichtung
  4. Hinzufügen der Namensbeischrift und Füllung des Grundes
  5. Verlegen des Mäanderbands als Bestandteil der Rahmenleiste

Als nächsten Arbeitsschritt erfolgte die Einfassung der Oktogonfelder durch die Flechtbandrahmen, die sich ebenfalls durch ein helles Kalkbett abhoben. Wobei der nun ganz ausgehärtete nucleus sich nicht mehr so fest mit dem frischen nucleus testa verband. Schlussendlich wurde der entstandene Zwischenraum - die eigentliche Einrahmung der Figurenmotive - entweder durch ein schattiertes Zinnenmäander oder abgetreppter Mäanderhaken mit Zahnschnittleiste, ornamental geschlossen. Aufgrund der schlechten Qualität des Kalkbreies im Bereich des Rahmenbandes konnte der Tonschlicker zwischen die tessellae und den nucleus testa einschlämmen und sich farbig absetzen und konturieren.

Expand Expand Abb. 114
Medaillon der Muse POLYMNIA mit angedeutetem Einschubmosaik, Ausschnitt aus Feld XI (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1999)

Bei fast allen Medaillons ist dieses sorgsame, punktgenaue Setzen der Figurenemblemata in den Klebemörtel auf dem frisch ausgehärteten nucleus mittels Setzrahmen zu beobachten. Entweder gibt der eingedrungene Tonschlicker die Konturen des Einsatzmosaiks vor oder der nucleus bildete mit den tessellae einen festen, homogenen und negativen Abdruck desselben. Es war wohl nicht störend, wenn die Medaillons nicht genau zentriert waren beziehungsweise den gesteckten Setzrahmen verließen. Den örtlichen Gegebenheiten entsprechend aufgrund der Erfahrung des tessellarius, wählte dieser das Format größer als benötigt, da die flexible Verlegetechnik problemlos Korrekturen erlaubte. Bei fast der Hälfte der Musenmedaillons, wie CLIO, MELPOMEN, AERATO, VRANIA, und vor allem CALLIOPE und dem Dichter HOMERVS, ragten die Figuren über die Begrenzungen hinaus und wurden entsprechend vor Ort gekürzt.

Die Medaillons stellten als Fixpunkt im Quadratnetz eine wichtige Konstruktionshilfe dar und erleichterten die Nivellierung der kleinteiligen, geometrischen Gliederung. Nach Beendigung dieses ersten Arbeitsschrittes füllten die Mosaizisten die freien Zwischenräume und den Vorteppich in wiederkehrenden Musterfolgen Fläche für Fläche. Entsprechend dem Arbeitstempo wurde der feine Klebekalkbrei als Bindemittel für die tessellae portioniert aufgetragen. Es ist davon auszugehen, dass gleichzeitig an mehreren Stellen mit spezialisierten Mosaizisten, die zum Beispiel den Vorteppich, die Flechtbänder, die Mäander, die Zwickel oder die hellen Hintergründe in den Medaillons legten, gearbeitet wurde. Jeder war für sein „Ornament“ ausgebildet und versiert und konnte im Verbund mit den anderen Mosaizisten des Ateliers zügig das Mosaik verlegen. Allein beim Füllen des Grundes der neun Medaillons lassen sich drei Handschriften nachweisen (siehe Abb. 137).

Ebenso exemplarisch anhand der Rückseite des Feldes III ist das Vorgehen der Mosaikleger darlegbar (siehe Abb. 115 und Abb. 116): Blau markiert ist unten die finale Randzone mit den beidseitig abgetreppten und nach außen gerichteten Dreiecken. Dank des feinen farbigen Tonschlickers geben die auffälligen Trennlinien die Arbeiten in Tagewerken vor. Die imaginären Kanthölzer markieren den Abschluss des Rapports. Folglich verteilt der Mosaizist die Mörtelmenge auf einer Fläche, in welche er an einem Tag die Mosaiksteine setzen kann. Abhängig vom weiteren Verlauf der Quermuster, hangelte sich dieser parallel an den hölzernen Begrenzungen entlang. Quadrat für Quadrat wechseln sich Kreuzblüten, gefüllte Vierecke oder Schachbrett, die das Muster diagonal teilen, in Gegenfarben ab. Dabei blieb der Blick immer auf das Quermuster gerichtet, vorgegeben durch sich überkreuzende Schnüre, Setzlatten und das mit weißen Steinchen (gelb markiert) angelegte Gittersystem. Dieses wurde im 45 Grad Winkel zur Verlegerichtung angelegt und hebt sich durch einen kompakteren Mörtel vom Umfeld ab. Das Muster wurde in parallelen Streifen projektiert und gesetzt, bevor die Richtungsänderung (rote Markierung) teilweise einen neuen Verlauf anzeigt. Flüssiges Blei vom brennenden Dachstuhl sickerte durch die Schuttschicht auf eine Kreuzblume und führte zu einer leicht wurmförmigen Verfärbung der tessellae (hellgelb markiert).

Expand Expand Abb. 115
Ausschnitt aus dem Speisebereich mit dem Verlegeverlauf, Vorder- und Rückseite, Feld III (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Rheinisches Landesmuseum Trier, 1995, links, und Foto Christof Weber, 2002, rechts)
Expand Expand Abb. 116
Verlegung des Musterrapports im Speisebereich, grün markiert gesicherte Verlegerichtung, Ausschnitt aus Feld I bis IV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Christof Weber, 2002)

Legende Abb. 116

  1. Blau I = Innere Rahmung
  2. Rot (Fuge) = Diagonale Trennung in zwei Kompartimente
  3. Grün = Setzstreifen im rechten Winkel zur Trennungslinie
  4. Gelb = Einteilung des Gittersystems im 45 Grad Winkel zur Begrenzung der Setzstreifen mit weißen Steinchen vorverlegt
  5. Blau II = Äußere Rahmung: Entfernung der inneren Rahmungshölzer und Randfüllung mit weißen Steinchen und abgetreppten Dreiecken
  6. Entfernung der äußeren Rahmungshölzer und finale Randfüllung mit schwarzen Steinchen

Wie oben ersichtlich, wurde der Musterrapport entweder aus zwei verschiedenen Richtungen gesetzt, oder bis zur beachtlichen Setzfuge zuerst von West nach Ost verlegt. Dies betrifft vor allem den diagonalen Rapport von übereck gestellten Freiflächen mit gefülltem farbigem Mittelquadrat und Kreuzblume oder Schachbrettmuster und konkavem Achteck in Gegenfarben. Das Ende dieser Setzrichtung und die teilweise einhergehende neue Ausrichtung - die rot hervorgehobene Richtungsänderung - markiert eine deutlich sichtbare Setzfuge in Feld III (siehe Abb. 117). Der gleiche vergrößerte Ausschnitt von der Vorderansicht, mit den im rechten Winkel abgehenden Rapportstreifen vom rot markierten Setzungsriss. Auf der Rückansicht schimmern die Fugen des Rapports durch die feine Kalkschlemme. Bis zu dieser Diagonale wurde der Bettungsmörtel durch eine hölzerne Begrenzung gehalten und nach dem Aushärten mit dem Musterrapport belegt.

Expand Expand Abb. 117
Ausschnitt aus Feld III mit dem markanten Setzungsriss in situ, Vorder- und Rückseite, Blickrichtung Süd (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Nach einer längeren zeitlichen Unterbrechung, wahrscheinlich einer Winterpause, erfolgte der erneute Bettungsmörtelaufbau für die restliche Vorteppichfläche. Diese Pause hatte Folgen für die verbliebenen Arbeiten am Mosaik: Eine der Ursachen für den deutlich hervortretenden Setzungsriss war das zeitlich versetzte Aushärten des Bettungsmörtels über mehrere Monate. Ein anderer war die schlechte Qualität des Bettungsaufbaus nach der Zwangspause - der finale Abschluss der Verlegearbeiten (Feld III und IV).

Dass die im Frühjahr wieder aufgenommenen Arbeiten unter Zeitdruck standen, zeigen verschiedene Parameter an: Wurde vorher der nucleus gleichmäßig auf den Bettungsmörtel aufgetragen und abgezogen, so änderte sich dies zu einem unplanmäßigen Füllen und Verteilen der Fläche, wie sich am Negativabdruck der Rückseite am Feld IV ablesen lässt. Dies hatte natürlich auch Konsequenzen für die Mosaizisten, die die letzten tessellae setzten. Portion für Portion wurde der frisch gemischte nucleus kübelweise nebeneinander eingebracht und nur grob mit der Kelle verteilt (siehe Abb. 118). Auch dass das Abziehen mit der Nivellierlatte nicht mehr gleichmäßig erfolgte, zeigt die große Differenz von 0,2 cm bis 3,5 cm im Duktus des nucleus testa auf dieser relativ kleinen Fläche. Nun musste der feinflüssige nucleus testa die Niveauunterschiede ausgleichen, was der ungeeigneten Masse nur zum Teil gelang. Zusätzlich minderte die schlechte Qualität des Kalkbreis auch dessen Bindekraft und begünstigte das vermehrte Eindringen des Tonschlickers über die Jahrhunderte in den darunterliegenden Bettungsaufbau, sichtbar als Trennschicht zwischen Setzbett, Kalkbrei und tessellae. Hier wurde schnell und unter Zeitdruck gearbeitet. Der Kalkbrei, in den die Marmorwürfel eigedrückt wurden, musste die hastig und ungenau ausgeführte Vorarbeit kaschieren. Die Verlegerichtung des Rapports ist nicht mehr klar erkennbar. Im Gegensatz hierzu wurde, bis auf Nordostecke, das Verlegen der tessellae weiter korrekt und sorgfältig weitergeführt.

Expand Expand Abb. 118
Ausschnitt aus dem Speisebereich mit dem finalen Randstreifen - oben Abrisskante der ehemaligen Trennmauer, seitenverkehrt, Feld IV (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Rheinisches Landesmuseum Trier, 1995)
Expand Expand Abb. 119
Mosaikrückseite als Teil vom viersträhnigen Flechtband mit dem finalen Randstreifen, West-Wand, Feld XIII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer nach Foto Rheinisches Landesmuseum Trier, 1995)

Das abschließende Rahmenband, bestehend aus nach auswärts gerichteten, beidseitig getreppten, schwarzen Dreiecken auf weißem Grund und einem breiten schwarzen Füllstreifen (siehe Abb. 118 und Abb. 119, blau markiert), beendete die Verlegearbeiten im gesteckten Holzrahmen. Dieser breite Abschluss im triclinium wurde durchgehend in einer Richtung in zwei Arbeitsphasen ausgeführt.

Nun fehlten lediglich die Übergänge zu den Wänden. Die schwarzen Randzonen, bestehend aus den beiden Lang- und Schmalseiten, wurden in mehreren Arbeitsschritten bündig bis zur Wandinkrustation, die auf dem rudus auflag, verlegt. Erst wurden die Holzlatten oder Kanthölzer, die die innere Fläche des Mosaiks begrenzten, entfernt. Dann erfolgte deren Befestigung in gleichem Abstand auf dem Untergrund und in einem letzten Arbeitsschritt wurden die Flächen mit nucleus und neun Reihen schwarzer Mosaikwürfel gefüllt. Dunkel gefärbt hebt sich der finale Randstreifen, bestehend aus durchgehend neun Reihen schwarzer tessellae, ab (siehe Abb. 119).

Negative Abdrücke der Lattung im nucleus testa sind auf fast allen Rückseiten erkennbar. Die Abstände der symmetrisch auf dem rudus angebrachten Holzlatten variierten zwischen 8,5 cm und 9,5 cm und verliefen exakt parallel mit dem weißen äußeren Band. An einem Augster Mosaik aus der Insula 31 lässt sich „als Beleg für die Verwendung von Setzlatten, aber auch die Frage nach der relativen Chronologie beim Setzen das schachbrettartige Mosaik aus der Insula 31 heranziehen“ ().

Da die Gesamtkomposition genau mittig zwischen den, anfangs parallel verlaufenden, Wänden angelegt war, bedurfte es nun nicht mehr der Begrenzungsrahmen. In einem finalen Arbeitsschritt wurden die unterschiedlich breiten Spalten mit tessellae geschlossen. Im unteren Bereich der West- und Ost-Wand, genügten ein oder zwei tessellae. Im Bereich der abknickende Ost-Wand weitete sich der Spalt bis zu acht Reihen.

Eine Ausnahme bildete die Reparaturstelle in der Süd-Ost-Ecke im Eingangsbereich, die mit größeren roten tessellae aus Ziegelresten beginnt und dann - die ersten Reihen unregelmäßig - in Schwarz weiterführt (siehe Abb. 120).

Expand Expand Abb. 120
„Reparaturstelle“ mit roten Ziegelsteinchen, Ausschnitt aus Feld XXIII, Ost-Wand (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2020)

Eine Besonderheit ist die qualitativ mindere Ausführung der Randzone des Speisebereichs zur Nord-Wand. Entlang des weißen Bandes ist auch auf den Rückseiten vom Feld IV und II der negative Abdruck einer langen Geraden erhalten. Nach dem Entfernen der, auf dem rudus fixierten Begrenzungen, schlossen die Mosaizisten diese größere Lücke zur Marmorinkrustation anfangs mit neun und zur Nordost-Ecke hin mit bis zu zwölf Steinreihen. Da die Mosaikgrundfläche im Bereich des Vorteppichs durch die nach außen abknickende Ost-Wand eher einem Trapez ähnelte und die Übergänge immer breiter wurden, kamen die verbliebenen und für die Schließung der letzten Lücken verantwortlichen Mosaizisten an ihre Grenzen (siehe Abb. 121). Im weiteren Streckenverlauf und einhergehend mit der veränderten Raumsymmetrie wuchs die Zahl der Ausgleichsreihen stetig bis auf sieben Reihen keilförmig an. Auffällig ist auch das Erscheinungsbild der Ausgleichsreihen. So fehlt hier der letzte und abschließende Arbeitsschritt: Anscheinend wurden zum finalen Abschluss der Verlegearbeiten an der Nord-Wand, nach bewährter Manier, die restlichen Begrenzungshölzer entfernt, die entstandene breite Lücke im nucleus mit minderwertigem Mörtel gefüllt und in die noch zu frische Bettungsunterlage die sieben Ausgleichsreihen schwarzer Marmorwürfel gesetzt. Die abschließende Oberflächenbearbeitung, durch Abschleifen und Polieren mit Sandsteinblock und Marmorstaub, welche am restlichen Mosaik nachweisbar ist, blieb jedoch aus (siehe Abb. 122)1. Auf dem schwarzen Randstreifen von Feld XVIII sind auch noch Reste der Versinterung erhalten - zeitliche Zeugen der Einschlämmung. Es sind augenscheinlich keine Abnutzungsspuren erkennbar, wie abgerundete Kanten der Steinkuben, die auf eine längere Benutzungsdauer schließen lassen.

Expand Expand Abb. 121
Nord-Ost-Ecke des Nebenteppichs mit dem finalen Randstreifen, Ausschnitt aus Feld II (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)
Expand Expand Abb. 122
Von Süd nach Nord parallel verlaufende Schleif- und Polierspuren auf Höhe der Muse MELPOMEN, Ausschnitt aus Feld XVIII (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2020)

Dass ganz zum Schluss nicht mehr mit der nötigen Sorgfalt gearbeitet wurde, dokumentiert auch die Nord-Ost-Ecke in der Randzone des Musterrapports, die nicht in das ansonsten perfekte Bild des fertig verlegten „Musen-Mosaiks“ passt. Hier von einer Reparatur zu sprechen, geht zu weit, da das gleiche Stein- und Bettungsmaterial wie im restlichen Mosaik verwendet wurde. Jedoch in einer minderwertigen und anfängerhaften Ausführung. Es war wohl Eile geboten, der verantwortliche Mosaizist vielleicht schon abgereist und eine Hilfskraft musste die Arbeit ohne ausreichendes handwerkliches Können abschließen. Auffallend ist die unregelmäßige Setztechnik und die unbearbeitete und verschmutze Oberfläche der Steinchen. Beim Glätten mit einem Holzklotz sind einzelne Kohlenkalkwürfel schräg in den zu frischen und dickaufgetragenen nucleus testa gesunken. Hierbei drückte sich der flüssige Kalkbrei teilweise zwischen den unregelmäßigen Fugen an die Oberfläche. Noch vor der ebenfalls mangelhaft ausgeführten Oberflächenreinigung hatte der Kalkbrei die Möglichkeit auszuhärten und ist als weißer Film zu erkennen (siehe Abb. 123). Selbstredend unterblieben das abschließende Abschleifen und Polieren.

Expand Expand Abb. 123
Schwarze Randfuge in der Nord-Ost-Ecke des Speisebereichs, Ausschnitt aus Feld IV (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

  1. . Siebentes Buch. Erstes Kapitel. Vom Estrich. S. 317. 3. „Über die Deckschicht sollen nach Schnur und Wasserwaage die Fußböden gelegt werden, aus verschiedenartig zugeschnittenen Platten (pavimenta sectilia) oder Mosaik (tesseris).“ 4. Wenn diese gelegt sind und sie hinsichtlich der Lage das ihnen zukommende Gefälle haben, dann sollen sie abgeschliffen werden, … wenn sie aber aus Mosaik hergestellt sind, dass die Würfel alle ihre Ecken ausgeglichen haben“. „Ist der Fußboden durch Abschleifen und Polieren fertig, dann soll auf die abgeschliffene Oberfläche Marmorstaub gesiebt und eine Decke aus Kalk und Sand gezogen werden.“ ↩︎

Bibliografie

Schmid 1993
Schmid, D. (1993). Die römischen Mosaiken aus Augst und Kaiseraugst. In Forschungen in Augst, 17. Augst.
Vitruv 2013
Vitruv (2013). Zehn Bücher über Architektur (C. Fensterbusch, Übersetzer). Darmstadt.