Einleitung

Im Jahre 1990 sollte die geplante Aussiedlung eines Bauernhofes auf einem Wiesenhang oberhalb der Gemeinde Vichten im Großherzogtum Luxemburg beginnen. Erste Baumaßnahmen zerstörten unwiederbringlich Strukturen einer ehemals wohl reich ausgestatteten ländlichen Palastvilla, das repräsentative Herrenhaus eines weitläufigen Großgrundbesitzes und gleichzeitig Sommerresidenz1 einer vermögenden gallo-römischen Familie.

In der Folge führten sie zur archäologischen Freilegung und Bergung mit nachfolgender Restaurierung () und Erforschung des herausragenden Mosaikkunstwerks aus dem großen Saal, dem Vichtener „Musen-Mosaiks“ durch ein Ausgrabungsteam des Nationalmuseums unter der Leitung der Archäologen Dr. Jean Krier und François Reinert (; ; ; ; ), die in dieser Publikation ausführlich behandelt werden.

Außerhalb der Stadtgebiete sind neben den Bauernhöfen und Gutsbetrieben auch suburbane Villen und Paläste im mediterranen Stil mit reicher Innenausstattung, wie Mosaiken, Marmorvertäfelungen, Wandmalereien und Stucktaturen, errichtet worden (; ). Zum Teil gehörten diese Latifundien den Angehörigen alter, romanisierter Adelsfamilien und Gebietsherren, oder wurden hohen Beamten zugewiesen () - als äußerliches Zeichen einer sozialen und wirtschaftlichen Autorität.

Unter meterhohem Erdauftrag verborgen, lag die längst vergessene, großflächige Trümmerstelle des Herrenhauses in einer Mulde in dem nördlich der Gemeinde gelegenen Hanggrundstück mit dem alten Flurnamen „an der Lae“ (). Ob allein das Landgut als Steinbruch genutzt wurde oder auch in der Nähe Steine aus dem Felsen gebrochen wurden, sei dahingestellt. Auf jeden Fall wurde der Flurname „an der Lae“2 auf dem parzellierten und mit Nummern versehenen Urkataster aus dem Jahre 1827 an der Stelle vermerkt, wo die Überreste des prächtigen Herrenhauses, der einst stattlichen gallo-römischen Villa im Hang ruhten. Heute liegt die Trümmerstelle in den Fluren „an der Lae/Däich“.

Eingeschlämmtes Erdreich konservierte vor mehr als 1700 Jahren den berühmten altgriechischen Dichter Homer und „seine“ neun Musen in Form eines hervorragend erhaltenen Steinmosaiks, nachfolgend „Musen-Mosaik“ genannt. In symmetrischer Anordnung und thematischer Harmonie sind reigengleich die Musen - Schutzgöttinnen der Künste und des Wissens in der griechischen Mythologie in Medaillons gefasst - um den Inbegriff der antiken Dichtkunst angeordnet. Im piktografischem Stil wird durch diese erzählende Kunst die eindrückliche Lesbarkeit der antiken Mythen zur realen Wirklichkeit.


  1. Das Fehlen einer Fußbodenheizung (lat. hypokaustum = von unten beheizt) im Zentralraum unter dem Mosaikteppich spricht eher für eine Nutzung des Haupthauses in der wärmeren Jahreszeit. ↩︎

  2. Bezeichnenderweise ist Lae, Lay oder Ley () ein Synonym für Felsen, Erhöhung (), Steinbruch, „Steinkaul“ oder einfach für den Handwerksberuf des Dach- oder Leyendeckers. Abgeleitet werden kann das Synonym sowohl aus dem griechischen lâas für Stein, als auch aus dem keltischen lika für die Steinplatte und aus dem germanischen lêia für Felsen (). ↩︎

Bibliografie

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