4.4.1. Allgemein

Im Detail erreichten die Pavimente naturgemäß nicht die Feinheit und Ausstrahlung von Wandmalereien. Dennoch dienten diese anfangs als willkommene Vorlagen und konnten im 3. Jahrhundert wiederum die Mosaike im Umkehrschluss als Vorlagen für Wandmalereien dienen. Einmal als zweisträhniges Flechtbandimitat auf Wandmalereiresten aus Bignor (County of West-Sussex) und Lufton (Somerset) () oder als Mosaikimitation auf Wandmalereifragmenten aus der großen Therme bei Xanten (lat. Colonia Ulpia Traiana, Kreis Wesel) (). So auch am Schuppenkonturrapport vom Typus R 46 () ablesbar, der, aber hier mit eingezeichneten Dreierblüten, auf dem Mosaik von Jurançon (Département Pyrénées Atlantiques) aus dem späten 3. Jahrhundert, als Wandmalerei in den Marcus- und Marcellinakatakomben in Rom wiederkehrt (). Durch die Übertragung der gemalten Vorlage in haltbares Material hat das Bodenmosaik einen unbestreitbaren Vorzug gegenüber den empfindlichen Wandmalereien. Jedoch erst in der Kombination und im Kontrast zu den detailreichen Wandmalereien liegt der besondere Reiz römischer Innenarchitektur.

Ein bedeutende römische Palastvilla - mit einer Gesamtlänge des Hauptgebäudes von 124 m ähnlich imposant wie Echternach oder Bartringen - wurde 1878 in Oberweis (Eifelkreis Bitburg-Prüm) vom damaligen Provinzialmuseum aus Trier freigelegt. Die zwischen Vianden und Bitburg gelegene Fundstelle beherbergte zwei außergewöhnliche Mosaike aus dem 2. Jahrhundert. Auf weißem Grund ist in schmalen Linien das Kassettenschema - Dreidimensionalität nachahmend – gezeichnet (siehe Abb. 151). Die imitierte Holzkassettendecke1 ist dezent mit farbigen Blüten ausgeschmückt und wird von einem breiten Rahmen umfangen ().

Expand Expand Abb. 151
Römisches Mosaik aus dem 2. Jahrhundert aus Oberweis (Quelle: Rheinisches Landesmuseum Trier)

Gleiches bildet die fragmentarisch erhaltene Stuckdecke des Diana-Tempels aus Nemausus-Nîmes ab. Sie ist ein beredtes Beispiel für die enge Verwandtschaft zwischen der Decken- und Bodendekoration (siehe Abb. 152) (). Einer der ersten bekannten Bodenmosaike, eine Holzkassettendecke imitierend, ist das berühmte Löwenmosaik aus Interamna Praetuttiorum-Teramo, 1. Jahrhundert v. Chr. (; ; ). Der angestrebte Effekt des quadratischen „Kassettenschemas“ ist verblüffend und verrät viel über die Intention der antiken Künstler und Bauhandwerker. Parlasca und Donderer beschreiben den Einfluss der Deckenarchitektur auf die Bodenarchitektur und nennen den Aufbau beziehungsweise die Konzeption der in Quadratfelder gegliederten Böden die treffenden Termini „Kassettenkomposition“ oder „Kassettenschema“ ().

Expand Expand Abb. 152
Rest der römischen Stuckdecke des Diana-Tempels aus dem 2. Jahrhundert in Nemausus-Nîmes (Quelle: Marburger Bildarchiv)

Durch die Übertragung der gemalten Vorlage in haltbares Material hat das Bodenmosaik einen unbestreitbaren Vorzug gegenüber den empfindlichen Wandmalereien. Jedoch erst in Kombination und im Kontrast zu den detailreichen Wandmalereien liegt der besondere Reiz römischer Innenarchitektur.

Im Grunde genommen befriedigte das Bodenmosaik das Bedürfnis des Hausbesitzers, den Bodenbelag dauerhaft zu verschönern und wasserhemmend abzudichten. Anstatt den Boden mit wertvollen Marmorplatten zu versiegeln und mit bunten Teppichen zu belegen, ermöglichten die Mosaiksteine beiden Ansprüchen zu genügen. Die Gesamtkomposition bezweckte die Vortäuschung eines beweglichen Teppichs auf fester Unterlage. Als nächster Aspekt stand die Themenwahl des Steinteppichs im Fokus, in der der Vichtener Hausherr zeigen konnte, dass er sich der klassisch-antiken Bildungstradition verpflichtet fühlte. Denn wäre dem nicht so, so wäre auch ein zum Beispiel unter wohlhabenden Bauherrn beliebtes profanes Thema als Bildschmuck im Hauptsaal geeignet gewesen. Keinen großen Anklang fanden in der Gallia Belgica die im Mittelmeerraum beliebten Meeresdarstellungen, die sich somit nicht in allen Provinzen des römischen Reiches durchsetzen konnten. Die im Mittelmeerraum beliebten Meeresdarstellungen fanden beispielsweise keinen großen Anklang in der Gallia Belgica. Diese Motive konnten sich nicht in allen Provinzen des römischen Reiches durchsetzen.


  1. VITRUV 2013. Siebentes Buch. Zweites Kapitel. Vom Löschen des Kalks und den Vorbereitungen für die Herstellung von Stuck. S. 321. 2. „Dann aber müssen nach Aufstellung von Gerüsten […] wenn dies nicht etwa mit getäfelten Decken ausgestattet sind.“ ↩︎

Bibliografie

Hoffmann 1999
Hoffmann, P. (1999). Römische Mosaike im Rheinischen Landesmuseum Trier, Führer zur Ausstellung. Trier.
Jansen 2016
Jansen, B. (2016). Bemalte Wände und Decken in der niedergermanischen Colonia Ulpia Traiana (CUT) bei Xanten im Kontext von Gebäude und Raum. In Y. Dubois, & U. Niffeler (Eds.), Pictores per Provincias II - Status Quaestionis: Actes du 13e Colloque de l’Association Internationale pour la Peinture Murale Antique (AIPMA). Université de Lausanne, 12-16 September 2016, S. 791. Basel.
Ling 2016
Ling, R. (2016). Wall paintings in Roman Britain, state of the art. In Y. Dubois, & U. Niffeler (Eds.), Pictores per Provincias II - Status Quaestionis: Actes du 13e Colloque de l’Association Internationale pour la Peinture Murale Antique (AIPMA). Université de Lausanne, 12-16 September 2016, S. 721. Basel.
Pallasmann-Unteregger 1986
Pallasmann-Unteregger, C. (1986/87). Entstehung und Entwicklung der Quadratfeldersysteme in der römischen Mosaikkunst. In Jahreshefte des österreichischen Archäologischen Institutes in Wien, 57. Baden bei Wien.
Salies 1974
Salies, G. (1974). Untersuchungen zu den geometrischen Gliederungsschemata römischer Mosaiken. In Bonner Jahrbücher des Rheinischen Landesmuseums in Bonn (Im Landschaftsverband Rheinland) und des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande, 174. Kevelaer.
Stern 1960
Stern, H. (1960). Recueil général des mosaïques de la Gaule. I. - Province de Belgique, 2. Partie Est. Paris.
Gonzenbach 1961
von Gonzenbach, V. (1961), Die Römischen Mosaiken der Schweiz. Basel.