2.8.1. Zur Inkrustationstechnik der Wandtäfelung

Durch eine sachgemäße Politur erfuhren die Schauseiten der Kohlenkalk- und Buntmarmorplatten eine zusätzliche Farberhöhung und verwischten praktischerweise die Sägespuren. Wobei die Unterschiede zwischen der polierten und unpolierten Rückseite beim Kohlenkalk kaum merklich sind. Anscheinend waren die Oberflächen der geschnittenen Kohlenkalkplatten schon so glatt, dass eine zeitaufwändige Politur nicht notwendig erschien. Polierkratzer und raue Sägespuren sind charakteristisch für die hellen Buntmarmore (siehe Abb. 40a und Abb. 40b). Während der Kohlenkalk beidseitig kaum Unterschiede aufweist. Die Schauseiten der Buntmarmore mussten abschließend Zeitintensiv poliert werden. Dies lag zum einem an der Beschaffenheit des Steinmaterials und Sägetechnik und zum anderen an der Arbeitsweise der lokalen Steinwerkstatt. Hier und da erkennt man einen kleinen Versatz, eine kleine Ungenauigkeit beim Führen der Schwingsäge durch den Steinblock. Nur die anhaftenden Kalkmörtelreste, mit feinem Ziegelbruch gemagert, oder geschrotete beziehungsweise grob gepickte Flächen mit dem Bossierhammer oder Flachbeil, zeigten eindeutig die Rückseiten an (siehe Abb. 41a und Abb. 41b).

Die Farbpalette der in Vichten verarbeiteten Kohlenkalkplatten, dessen Kanten überwiegend rundherum gefasst sind, variiert zwischen Blaugrau bis Schwarz. Belebt wir die Oberfläche durch Microfossilieneinschlüsse und solche, die mit dem Auge zu erkennen sind (siehe Abb. 42): unter anderem Goniatiten (Ammoniten) und Armfüßer (Brachiopoda), sowie Moostierchen (Bryozoa) als Kolonie.

Erst mit einer Kelle wurde der Klebemörtel, wie auch heute noch im Handwerk üblich, aufgebracht, glattgezogen und wohl mit einer umfunktionierten groben Säge aufgeraut. Die parallel verlaufenden Rillen sind denen der Rückseiten von Kammstrichziegeln nicht unähnlich und ermöglichen Haftung an der Wand. Die Vorarbeit verlangte von den Handwerkern größtes Geschick und Erfahrung, ebenso wie die Anbringung der bis zu zwei Quadratmeter großen Marmorplatten an der Wand. Unregelmäßigkeiten der Stoßfugen unterstreichen dies.

An einigen Übergängen wurde mit Hammer und schmalem, fünf Millimeter breitem Meißel nachgeholfen, indem die überstehende Kante nicht fachgerecht abgeschrägt wurde (siehe Abb. 39, rechts). Denkbar ist auch, dass ein spezialisiertes Steinmetzteam, dass seinen Standort in der Nähe des Steinbruchs hatte (), bei der Montage in der Villa aushalf und die Übergänge der Marmorplatten notdürftig begradigte.

Expand Expand Abb. 40a
Vorderseite von Buntmarmor und Kohlenkalk mit Spuren vom Herstellungsprozess (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)
Expand Expand Abb. 40b
Rückseite von Buntmarmor und Kohlenkalk mit Spuren vom Herstellungsprozess (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)
Fragment der Marmorwandvertäfelung aus Kohlenkalk mit sichtbaren fossilen Einschlüssen, glatte Vorder- und geschrotete beziehungsweise „geputzte“ Rückseite (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)
Expand Expand Abb. 42
Fragment der Marmorwandvertäfelung - Bruchkante mit Fossilien (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Wahrscheinlich haben auch die Mosaizisten, die den Estrich für das Mosaik vorbereiteten, bei der schwierigen Montage der rund 70 kg schweren Marmorplatten mit Hand angelegt. Erst nachdem die untere grobkörnige Bettungsschicht (lat. rudus) für das Mosaik fertiggestellt war, konnten die Steinmetze, Maurer und eventuell die Mosaizisten die großen Platten auf den Estrich aufsetzen und an die Wände kleben. Mit der Fertigstellung der Inkrustation und dem anschließenden Einbringen der oberen Bettungsschicht (lat. nucleus) wurde die Voraussetzung für die Verlegung des Mosaiks mit Mosaikwürfeln geschaffen. Die Schwierigkeiten in der Nivellierung des gröberen Estrichs waren offensichtlich. Die obere, feinere Bettungsschicht musste die Niveauunterschiede, die zwischen 1,5 und 6 cm variierte, immer wieder ausgleichen. Der obere Estrichbelag und der Mosaikteppich verdeckten die Inkrustationen - ablesbar am negativen Abdruck - um rund 5 cm (siehe Abb. 43).

Expand Expand Abb. 43
Grabungsfoto nach der Bergung des Mosaiks mit dem braunen Abdruck des Estrichs und des Mosaiks auf der Kohlenkalkplatte in situ, Ost-Wand (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)

Einlassungslöcher in den Lagerfugen (), die, wie zu erwarten die Täfelung am Mauerwerk zusätzlich befestigt hätten, konnten weder rückseitig noch im Oberlager ausfindig gemacht und dokumentiert werden. Lediglich an den Schmalseiten einiger weißer Marmorplatten sind diese erhalten und boten Anschluss für die Marmorintarsien. Ohne eine zusätzliche Fixierung war eine sichere Befestigung der schweren Marmorplatten normalerweise nicht gegeben. Die römischen Handwerker verließen sich allein auf die Klebekraft, des mit feinem Ziegelsplitt gemagerten, Kalkmörtels. Auch liegen nicht wie sonst üblich Krampen oder Haken aus Eisen oder Bronze (; ; ) im Fundspektrum aus Raum 1 vor. Lediglich an einem Formstück, welches auf den großen Marmorplatten fixiert wurde, gelang mit der RFA-Methode (siehe Kapitel Werkstoffe) an einer Bohrung am Plattenrand der Nachweis von Eisenkorrosion.

Zahlreiche Bruchstücke von kunstvoll geschnittenen Buntmarmorprofilen und -formen belegen eine reiche ergänzende gestalterische Ausschmückung des Saals, lassen sich aber nicht zu einem Bild zusammenfügen (siehe Abb. 44). Diese Form von Ausschmückung war auch als Bodenbelag im gesamten römischen Reich sehr verbreitet.

Expand Expand Abb. 44
Diverse grob- und feinkörnige Buntmarmorprofile und -formen zum Einfassen geometrischer Formen - opus sectile, West- und Ost-Wand (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Wie unvollständig das Fundspektrum nach dem massiven mechanischen Eingriff bleibt, beleuchtet der Fund einer runden und im Durchmesser 30,4 cm (= 1 pes) großen Scheibe (siehe Abb. 45) aus Trierer Diabas, dem Grünstein, der schon in der Jungsteinzeit () und später im ganzen römischen Reich () verhandelt wurde. Ferner Formelemente und Architekturteile, die womöglich einer pfeilerartigen Ausschmückung, dem Pilaster, zu zuordnen sind (siehe Abb. 46). Die weißen und transluziden Marmorreste sind von unterschiedlicher Güte und könnten zum einen als Abbauprodukt der Kalzitgänge aus dem „Gris des Ardennes“ stammen () und zum anderen vom echten mediterranen Marmor – Fossilienspuren sind durch Rekristallisation, im Gegensatz zum Belgischen Marmor, nicht mehr zu erkennen ().

Die beiden gegenüberliegenden Wände, natürlich auch die Nord-Wand, waren in ein erweitertes Gestaltungsprinzip eingebunden, sodass das Mosaik, die Marmorverkleidung, die Malerei auf der Oberwand und die mehrfarbige Deckenmalerei als Gesamtkunstwerk den Besucher beeindrucken und den Hausherrn erfreuen sollten.

Expand Expand Abb. 45
Diabas-Scheibe (lat. tondo), West-Wand mit Buntmarmorbruchstücken (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2021)
Expand Expand Abb. 46
Architekturteile aus grob- und feinkörnigem weißem Marmor, West- und Ost-Wand (Quelle: MNHA/Tom Lucas & Ben Muller, 2020)

Bibliografie

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