4.3.5. Bindemittel: Trass (Puzzolan) und gebrannter Kalk

Als Ausgangsstoff für das Bindemittel wurde Kalkstein und Ton bei 1000 Grad gebrannt. Die besondere hydraulische Eigenschaft des Unterwasser-Betons resultierte aus dem Bindemittel von zerkleinerter vulkanischer Asche und Ziegelsplitt. Noch heute wird in der Ost-Eifel der Tuffstein (Vulkangestein) industriell abgebaut, gemahlenen und so das Puzzolan Trass gewonnen. Die dem Terrazzo ähnliche Masse, ein seit der Antike beliebter, kostengünstiger Bodenbelag, band auch unter Wasser ab, neigte weniger zur Bildung von Rissen und war frostbeständig. Anfangs stillte im römischen Imperium der Abbau von Eruptivgestein im westlichen Teil der Region Campania-Kampanien bei Puteoli-Pozzuoli, in den Phlegräischen Feldern am Golf von Neapolius-Neapel und rund um den Vesuv den „puzzolanischen“ Hunger der Bauingenieure.

Eine erstaunliche Jahreszahl von rund 9635 Jahren Alter lieferte uns eine kleine Holzprobe, eingeschlossen im Kalkestrich unter den Mosaiksteinen. Während den Freilegungsarbeiten an der Rückseite am Feld XX wurde der ungewöhnliche Fund gemacht. Die Holzprobe aus dem Estrich aus Feld XX des „Musen-Mosaiks“ wurde am Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim von Dr. Ronny Friedrich am 10. August 2019 mittels einer Altersbestimmung mit Radiokohlenstoff (C 14) auf ein Alter von 9564 BP (=Before Present), also vor 1950, datiert (siehe Abb. 142 und Abb. 143). Die Vulkanasche, die als Folge des Ausbruchs das Holz konservierte, führte auch zur Entstehung des Ulmener Maar in der Eifel. Rechnet man 71 Jahre bis heute hinzu, ergibt die Holzprobe ein Alter von 9635 Jahren und unterstützt die These der Entstehung des Ulmener Maar vor rund 9600 Jahren (). Der letzte datierbare Vulkanausbruch im Ulmener Maar entspricht dem Alter der Holzprobe. Die Holzprobe und die letzte Eruption am Ulmener Maar überlappen im Fehlerbereich.

Expand Expand Abb. 142
Ein 3,5 cm langer und 9635 Jahre alter Holzsplitter im Trassmörtel des nucleus, Feld XX (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 1995)
Expand Expand Abb. 143
Ergebnis der isolierten Holzprobe aus dem Estrich, Feld XX (Quelle: Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie/Ronny Friedrich, Mannheim, 2019)

Rund 7700 Jahre später müssen die römischen Ingenieure das vulkanische Auswurfmaterial als Tuffschichten, dem Trass, in der Eifel entdeckt und im Obertagebau abgebaut haben (siehe Abb. 18 und Abb. 144). Ein zeit- und kostenintensiver Transport des wertvollen und unverzichtbaren pyroklastischen Baustoffes aus der italienischen Region bei Kampanien1 erübrigte sich. Die für die römische Architektur so wichtige Puzzolanerde, lag sozusagen „um die Ecke“.

Wahrscheinlich wurde bei dem römischen Abbau der vulkanischen Tuffschichten Anfang des 3. Jahrhunderts in der Gegend des Ulmer Maares das Holzfragment als Verunreinigung mit abtransportiert. Das in einem „Trassklumpen“ der Pyroklastika eingeschlossene Holzfragment gelangte so nach Vichten und wurde dort als dauerhafter Bettungsmörtel vom Bodenmosaik verarbeitet. Eine Verunreinigung des Estrichs mit einem Holzrest aus der Vichtener Umgebung kann praktisch ausgeschlossen werden.

Expand Expand Abb. 144
Das Auswurfmaterial des Vulkans als mächtige pyroklastische Trassschichten im Hangbereich des Ulmener Maars (Quelle: MNHA/Rainier Fischer, 2020)

Warum die hydraulischen Mörtel- und Betonmischungen so wichtig und unerlässlich für die römische Architektur waren, zeigt der große Mosaiksaal in Vichten. Dieser war ja bekanntlich wegen fehlender Fußbodenheizung nur eingeschränkt ganzjährig zu nutzen. Ein wasserdichter Trass-Bettungsestrich, der vor aufsteigender Feuchtigkeit und gegen Frost in der kalten Jahreszeit schützte, erwies sich in unserer klimatisch anspruchsvollen Region von unschätzbarem Nutzen. So scheint es wenig verwunderlich, dass die geochemischen Analysen vom opus caementitium-Estrich aus Vichten mit den Rezepturen von weit entfernten Fundorten im römischen Imperium übereinstimmen.

VITRUV erkannte schon vor 2000 Jahren die Vorteile und den großen Nutzen der Vulkanasche für das Bauwesen. In seinem Buch über Architektur beschreibt er die Vorteile des Zusatzes pulvis puteolanus und die Zubereitung der Bindemittel. Er geht ebenfalls explizit auf Mischungsverhältnisse und Qualitätsstandards von Sand, Bindemittel und Zuschläge ein. Auch die Bauhandwerker in Vichten erfüllten stringend die qualitativen Vorgaben VITRUV‘s bezüglich der Mischungsverhältnisse der einzelnen Zutaten. Und genau diese baulichen Vorgaben vor mehr als 2000 Jahren lassen sich geochemisch als „Fingerabdruck“ bei untenstehenden Mosaiken ablesen (siehe Abb. 145 bis Abb. 149). Die Proben aus Vichten wurden während der Bergung des Mosaiks im Juli 1995 vom Verfasser entnommen und von Herrn Dr. Romain Meyer von der Administration des ponts et chaussées (Service géologique de l’État) im Oktober 2020 bearbeitet:

  1. „Musen-Mosaik“ aus Vichten.
  2. Arroyo De La Dehesa De Velasco (Provinz Soria der Autonomen Region Kastilien-Léon) ().
  3. Roman Basilica in Amastris/Amasra (Provinz Bartin) ().
  4. Roman Maritime Structures ()
  5. Santa Liberata (Provincia di Grosetto) und Caesarea Stratonis/Caesarea Palestinae ().

Zur chemischen Analyse der Probenmatrix wurden Ziegelbruchstücke aus dem römischen Estrich vom „Musen-Mosaik“ verwendet:

  • Untere Schicht = rudus
  • Mittlere Schicht = nucleus
  • Feine Schicht = nucleus testa

Wieder einmal zeigen erstaunliche Parallelen in der geochemischen Zusammensetzung bei weit entfernten Orten im römischen Imperium die stringente Einhaltung einer einmal bewährten bauhandwerklichen Technik und Rezeptur. Dies spricht gegen die vermutete Annahme der unterschiedlichen Fundamentierung von römischen Mosaiken im 3. Jahrhundert. Die Verteilung der Probenpixel für Eisenoxid (Fe2O3) und Kaliumoxid überlagern sich bei allen vier Probenprobanden. Lediglich beim Siliciumdioxid weicht die spanische Variante ab, was auf eine andere Trassquelle schließen lässt.

Expand Expand Abb. 145
Diagramm mit der Verteilung der Probenergebnisse auf den Achsen: Calcium- beziehungsweise Aluminiumoxid (gebrannter Kalk) und Eisenoxid, Ziegelbruchstück, Matrix zwischen Ziegel unten, Mittelschicht und feine Schichten vom „Musen-Mosaik“ aus Vichten (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Romain Meyer, 2020)
Expand Expand Abb. 146
Diagramm mit der Verteilung der Probenergebnisse auf den Achsen: Calcium- beziehungsweise Aluminiumoxid (gebrannter Kalk) und Kaliumoxid, Ziegelbruchstück, Matrix zwischen Ziegel unten, Mittelschicht und feine Schichten vom „Musen-Mosaik“ aus Vichten (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Romain Meyer, 2020)
Expand Expand Abb. 147
Diagramm mit der Verteilung der Probenergebnisse auf den Achsen: Calcium- beziehungsweise Aluminiumoxid (gebrannter Kalk) und Siliciumdioxid (vulkanische Asche - Trass), Ziegelbruchstück, Matrix zwischen Ziegel unten, Mittelschicht und feine Schichten vom „Musen-Mosaik“ aus Vichten (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Romain Meyer, 2020)
Expand Expand Abb. 148
Geochemische Analysen von Mörtelproben aus dem römischen Imperium: Arroyo De La Dehesa De Velasco (Provinz Soria der Autonomen Region Kastilien-Léon), Amasra (Provinz Bartin), Roman Maritime Structures, Santa Liberata (Provincia di Grosetto) und Caesarea Palestinae (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Romain Meyer, 2020)
Probenergebnisse der geochemischen Analysen der Mörtelproben vom „Musen-Mosaik“ aus Vichten (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Romain Meyer, 2020)

  1. . Zweites Buch. Sechstes Kapitel. Über Puteolanerde. S.94. „Es gibt aber auch eine Erdart, die von Natur wunderbare Ergebnisse hervorbringt. Sie steht an im Gebiet von Bajae und der Städte, die rund um den Vesuv liegen. Mit Kalk und Bruchstein gemischt gibt sie nicht nur den übrigen Bauwerken Festigkeit, sondern auch Dämme werden, wenn sie damit im Meere gebaut werden, im Wasser fest.“ „Also: Das Feuer im Innern und der Dampf der Flamme, der die Erdadern durchfließt und glühend ist, macht diese Erde leicht. Und der Tuff, der dort sich erhebend erzeugt wird, ist ohne Feuchtigkeit. Wenn also drei Dinge, die auf gleiche Art durch die Heftigkeit des Feuers gebildet sind, in eine Mischung gelangen, dann fügen sie sich, wenn plötzlich Feuchtigkeit aufgenommen ist, fest zusammen, und sie werden schnell, durch die Feuchtigkeit gehärtet, fest, zusammen, und weder die Wogen noch die Macht des Wassers können sie voneinander lösen.“ ↩︎

Bibliografie

Alonzo-Olazabal et al. 2020
Alonzo-Olazabal, A. et al. (2020). Compositional characterization and chronology of Roman mortars from the archaeological site of Arroyo de la Dehesa de la Velasco. In Minerals, 10, S. 393. Basel.
Kurugöl & Gülec 2005
Kurugöl, S. & Gülec, A. (2005). Physico-chemical, petrographical and mechanical properties of mortars used in an Ancient Roman basilica in Amasra / Turkey. In Gazi University Journal of Science, 28(4), S. 609-621. Ankara.
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Oleson, J. P., Brandon, C., Cramer, S. M., Cucitore, R., Gotti, E., & Hohlfelder, R. L. (2004). The ROMACONS Project: A contribution to the historical and engineering analysis of hydraulic concrete in Roman maritime structures. In The International Journal of Nautical Archaeology, 33(2), S. 199-229. Portsmouth.
Vitruv 2013
Vitruv (2013). Zehn Bücher über Architektur (C. Fensterbusch, Übersetzer). Darmstadt.
Vola et al. 2011
Vola, G., Gotti, E., Brandon, C., Oleson, J. P., & Hohlfelder, L. F. (2011). Chemical, mineralogical and petrographical characterization of Roman ancient hydraulic concretes cores from Santa Liberata, Italy and Caesarea Palestinae, Israel. In Periodico di Mineralogia, 80(2), S. 317-338. Rom.
Zolitschka et al. 1995
Zolitschka, B., Negendank, J. F. W., & Lottermoser, B. G. (1995). Sedimentological proof and dating of the Early Holocene volcanic eruption of Ulmener Maar (Vulkaneifel, Germany). In Geologische Rundschau, 84, S. 213-219. Berlin.