4.3.7. Druckfestigkeit - Substruktion

Ein weiteres Prüfverfahren untersuchte die Druckfestigkeit des römischen Estrichs vom „Musen-Mosaik“ aus Vichten (siehe Abb. 150). Georges Blasen und Schroeder Steve von der Administration des ponts et chausées (Laboratoire) haben die Druckfestigkeit römischen Betons vom „Musen-Mosaik“ am 23. September 2020 untersucht.

Die Prüfgröße von rund 19 N/mm2 entspricht heutigem Qualitätsbeton und wurde auch schon am „Gladiatoren-Mosaik“ in Cruciniacum (?)-Bad-Kreuznach (Landkreis Bad Kreuznach) () nachgewiesen. An sich ist die Druckfestigkeit „die wichtigste Materialeigenschaft des Betons“ (). Ohne ein geeignetes Baumaterial für den Unterbau und die nötige Ingenieurkunst bleibt kein Bauwerk lange bestehen.

Auf die Qualität der Substruktion legt VITRUV sein besonderes Augenmerk. Hier stand nicht nur die Zusammensetzung des Mörtels, sondern auch dessen qualitative und quantitative Herstellung im Fokus1. VITRUV beschreibt genauestens die Herstellung von „erstklassigem Kalk“2 und hat Sorge, den richtigen Sand aus Flüssen oder aus Kies zu gewinnen3. Selbstverständlich ist ihm die Wirkung des hydraulischen Bindemittels Trass für den „Unterwasser-Beton“ bekannt und er echauffiert sich über „Leute, die von Baukunst und Handwerklichen nichts verstehen“4.

Expand Expand Abb. 150
Ergebnis der Druckfestigkeit einer Estrichprobe vom „Musen-Mosaik“ (Quelle: Administration des ponts et chaussées/Georges Blasen & Steve Schroeder, 2020)

Uns ist bereits das römische „Gladiatoren-Mosaik“ aus der Römerhalle in Bad Kreuznach begegnet (siehe Musterkatalog der Motive). Als vergleichende Variante in den Seitentrieben und der Körperlichkeit verleihenden Glanzlichtlinien in den Hüllblättern, stehen die Mosaiken aus Bad Kreuznach und Trier stilistisch und zeitlich sehr nahe. Die vorgeschlagene Datierung von 230 n. Chr. bis 240 n. Chr. gilt für beide Mosaike. Umso überraschender ist das Ergebnis der Materialprüfung an dem Kreuznacher Mosaik durch Herrn Lambrecht () und an dem „Musen-Mosaiks“ aus Vichten. Lambrecht bezeichnet die Probe, als „aus dem Unter-Estrich“. Unter-Estrich meint wohl die untere Bettungsschicht, den rudus, eine grobkörnige Kalkmörtelschicht mit Ziegelschrot und Kieseln. Mit einer steigenden Sieblinie von etwa 0/8 mm mit Ziegelsplitt versetzt, wurde der Probenkörper mit einer Kantenlänge von 46 mm mit 21,8 Druckfestigkeit in N/mm2 gemessen. Die Proben aus der unteren Bettungsschicht aus Vichten, mit einer Kantenlänge von rund 33 mm, liegen mit gemessenen 16,9 beziehungsweise 21,2 N/mm2 gleichauf.

Als Bindemittel analysierte Lambrecht Kalk, also Kalkstein als mutmaßliches Ausgangsgestein, ohne Zuschläge von Puzzolan für den Estrich aus Bad Kreuznach. Im gleichen Ausgangsmaterial vom „Musen-Mosaik“ ist Trass als weiterer Zuschlag aus der Eifel in der geochemischen Analyse nachgewiesen. Trotzdem ist die Druckfestigkeit bei beiden Funden praktisch identisch und spricht für die stringente Einhaltung einer erprobten und von VITRUV empfohlenen Betonmischung, die erstaunlicherweise quer durch das römische Imperium von Architekten und Bauhandwerkern beherzigt wurde. Das hatte bestimmt auch mit der Gewährleistung der Gewerke des ausführenden und mit seinem Privatvermögen haftenden römischen Architekten zu tun.


  1. VITRUV 2013: Zweites Buch. Vorrede. S. 77. 5. „… welche guten Eigenschaften sie bei der Verwendung haben, und gesagt habe, aus welchen natürlichen Grundstoffen sie zusammengesetzt sind.“ Fünftes Kapitel. Vom Kalk. S. 93. 1. „Wenn er (der Kalk) gelöscht ist, dann soll der Mörtel so gemischt werden, daß, wenn der Sand Grubensand ist, drei Teile Sand und ein Teil Kalk hineingeschüttet werden. […] Auch wird man, wenn man bei Fluß- oder Meersand ein Drittel gestoßenes, gesiebtes Ziegelmehl hinzufügt, eine Mörtelmischung herstellen, die besser zu verwenden ist.“ ↩︎

  2. VITRUV 2013: Zweites Buch. Fünftes Kapitel. Vom Kalk. S. 93. 1. „Hat man sich über den Sand Klarheit verschafft, muss dann auch Sorgfalt hinsichtlich des Kalks angewendet werden, dass er aus weißem Bruchstein oder Silex gebrannt wird. Der Kalk, der aus festem und hartem Stein gewonnen wird, wird im Mauerwerk brauchbar sein, der aus porösem aber beim Verputz.“ Siebentes Buch. Zweites Kapitel. Vom Löschen des Kalks und den Vorbereitungen für die Herstellung von Stuck. S. 319. 1. „Der aber wird richtig hergestellt, wenn Klumpen besten Kalks lange vor dem Gebrauch abgewässert werden, damit, wenn irgendein Klumpen im Brennofen zu wenig gebrannt ist, er bei der langdauernden Wässerung, durch die Feuchtigkeit auszugären gezwungen, vollständig gelöscht wird. […] dann bildet er nach dem Anwurf, weil er noch ungelöschte Kalkteilchen in sich birgt, Bläschen.“ ↩︎

  3. VITRUV 2013: Zweites Buch. Viertes Kapitel. Vom Sande. S. 91. 1. „Beim Bruchsteinmauerwerk aber muß zuerst der Sand untersucht werden, daß er zur Mischung des Mörtels geeignet ist und keine Erde beigemischt hat. […] Von diesen sind die besten die, die, in der Hand gerieben, knirschen.“ ↩︎

  4. VITRUV 2013. Sechstes Buch. Vorrede. S. 261. 6. „Da ich aber bemerkte, daß Leute ohne Ausbildung und Erfahrung sich mit einer Kunst von so großer Bedeutung befassen, Leute, die nicht nur nichts von Baukunst, sondern überhaupt nicht einmal vom Handwerklichen etwas verstehen…“ ↩︎

Bibliografie

Lamprecht 1996
Lamprecht, H.-O. (1996). Opus caementitium. Bautechnik der Römer. Köln.