1.6. Weitere Fundstellen in der Umgebung

Neben dem Hauptgebäude der Großvilla sind im näheren Umkreis weitere archäologische Stätten dokumentiert, aber wissenschaftlich nicht weiter erforscht. Dies gilt zum einen für den modern überbauten römischen Wirtschaftshof im Ortskern und zum anderen in unmittelbarer Nachbarschaft - 310 m (rund 1000 pes) nordwestlich gelegen - für die Entdeckung der Fundamente eines monumentalen Grabmonuments 1905 in der Flur „Nolstaen“ bei Feldwegarbeiten (Nolsteinstraße, ). Dass die römischen Reste schon länger bekannt waren, zeigt der Eintrag auf der Karte des Geologen und Kartografen Peter-Mathias Siegen aus dem Jahre 1883 und könnte mit dem Grabmonument (F) - als „Tempelrest“ eingezeichnet - übereinstimmen (siehe Abb. 7). Ebenso sind Mauerreste im Bereich des römischen Wirtschaftshofes an der Hauptstraße (C), schräg gegenüber der Notgrabung von 2005 gelegen, vermerkt. Desweiteren, wie oben schon angemerkt, oberhalb der Landmarke (D) in der Böschung Richtung der Flur „Akscht“ - an der Sichtachse Herrenhaus (A) und Trümmerstelle I (E) - der Fund eines römischen Inschriftensteins. Auf einer weiteren 1:40000er Karte aus dem Jahre 1860 wurde die Fundstelle der Palastvilla vom „Chef de bureau du Cadastre“ J.-B. Liesch als Usine romaine bezeichnet.

Mehrere Einträge finden sich im Band 16 der „Publications de la Société pour la recherche et la conservation des monuments historiques dans le Grand-Duché de Luxembourg“ aus dem Jahre 1860 auf den Seiten 129-130: „L’importance de Vichten à l’époque romaine est encore prouvée par les diverticulum…“ und Antoine Namur zählt auf: „Römerborn (fontaine de Romains)“, „bei Akscht“, „Schouckert“, „Wampicherhöhl“, „Clautgesgart““.

Die römische Trümmerstelle in der Flur „Akscht“ wird im Katalog der römischen Steinreliefs des Luxemburgischen Nationalmuseums von Éugenie Wilhelm beschrieben (). Eine weitere Fundstelle ist die, auf halbem Weg zwischen Vichten und Schandel vermutete, römische Ansiedlung in der Flur „Kraïzmier“ (; ). Oder das Brandgräberfeld von Schandel-„Op den Peschen“ (; ) und das nördlich von Vichten, unweit der ehemaligen Römerstraße, entdeckte frühkaiserzeitliche Brandgräberfeld bei Michelbuch (). Ebenso ist auf der Siegen-Karte westlich von Schandel Mosaïques notiert.

Die Ausnahme bildet eine unveröffentlichte Notgrabung im Jahre 2005 in einem der angenommenen Nebengebäude der Villa in der Vichtener Hauptstraße Nr. 18. Eine 2005 vom Grabungsdienst des Nationalmuseums durchgeführte Grabung in Vichten, 18, Rue principale, konnte eines der landwirtschaftlichen Nebengebäude der pars rustica näher untersuchen. Die römischen Strukturen liegen dem Herrenhaus gegenüber in südöstlicher Richtung auf der anderen Seite des Baches. Neben Keramikscherben von Amphoren und großen Vorratskrügen bezeugen rote und grüne Wandmalereireste, dass das römische Gebäude nicht nur als Lagerraum oder Speicher (lat. horreum), sondern auch als hochwertigen Wohnraum genutzt wurde. Ob die Funktion von Anfang an als Lagerhaus () bestand und später multifunktional zu einem Wohnhaus erweitert wurde, gibt der derzeitige Erkenntnisstand noch nicht her. „In der pars rustica reihen sich parallel den Längsseiten des Hofes entlang der Hofmauer, teils auch innen an sie gelehnt, viele kleine Wirtschaftsgebäude, vereinzelt auch untergeordnete Wohngebäude, meist das nächst der pars urbana gelegene“ größere Seitengebäude sind dem vilicus, dem Pächter oder der mit der Betriebsführung beauftragte Sklaven zuzuordnen (). Gleiches wird auch für den Befund der römischen Villenanlage von Heitersheim angenommen: „das Wohnhaus des Gutsverwalters“ sticht aufgrund seiner Größe, Komplexität und Position heraus. „Hier lebte der procurator/vilicus das ganze Jahr über mit seiner Familie“ ().

Das Schicksal der Zerstörung und in Vergessenheit geraten ereilte viele Großvillen in der civitas Treverorum nach dem Untergang des römischen Reiches 476 n. Chr. (). So erschien auch die attraktive und verkehrsgünstige Lage der Villa in Vichten, auf dem hochwasserfreien Hang gelegen, in der Raumordnung der fränkischen Landnahme unter dem Königsgeschlecht der Merowinger im 5. oder 6. Jahrhundert als willkommene Siedlungsstelle. Lesefunde einer Schmal- und Breitsax () - der einschneidigen Hiebwaffe aus dem 6. Jahrhundert - auf dem Plateau zwischen Vichten und Schandel belegen die Anwesenheit der Franken. Mit der Bauweise von Steinbauten nicht vertraut, wurden, entsprechend ihrer handwerklichen Tradition, zuerst Behausungen in Holzbauweise (Fachwerkbauten), errichtet (). Erst spätere Generationen gingen dazu über, statt in Holz wieder in Stein zu bauen und nutzten die römischen Trümmerstellen als ergiebigen Steinbruch, der kosten- und verkehrsgünstig in unmittelbarer Nähe ausgebeutet wurde. Ob wir im Vichtener Oberdorf von einer ununterbrochenen Siedlungskontinuität ausgehen können, gibt die derzeitige Befundlage nicht her. Sicher kann jedoch gesagt werden, dass das, mit einer Mauer vom Wirtschaftshof abgetrennte, Herrenhaus anhand der unveröffentlichen Grabungsergebnisse Mitte des 3. Jahrhunderts aufgegeben wurde und auch in der Neubesiedlung Jahrhunderte später außen vor blieb.

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