4.3.2. Terra sigillata
Zu den ältesten erhaltenen Mosaiken gehört erstaunlicherweise die Verzierung von Säulen mit bunten Tonstiften aus dem Innanatempel aus Orchoi-Uruk, dem heutigen Warka im Irak (
). Das um 3400 v. Chr. hergestellte vielfarbige Kunstwerk ist ein weiteres frühes Beispiel für das menschliche Bedürfnis nach künstlerisch gestalteten Architekturflächen.Wurden die zylindrischen Tonstifte in der babylonischen Hauptstadt Uruk aus Ton geformt, gebrannt und angemalt, so schätzten die römischen Mosaizisten die vergleichbar gebrannte Tonerde als Rohstofflieferant in Form von Terra sigillata (lat. für gesiegelte Erde). Durch den matten bis glänzenden, schützenden Überzug dunkelte die Farbe zu dunkelziegelrot bis orangerot nach. Der Scherben des vornehmen römischen Tischgeschirrs schwankt in der Tönung nach dem Brennen zwischen dunklerem und hellerem Braunrot. Terra sigillata wurde als günstiger Ersatz für den teuren Kalkstein oder Buntmarmor im 3. Jahrhundert immer beliebter. Nach den Krisen im römischen Imperium, gegen Ende des 3. Jahrhunderts, kam vermehrt günstigerer Ziegelbruch in Mode. „Besonders auffällig an den Mosaiken des 4. Jahrhunderts ist die Vorliebe für rote Farbflächen, deren Farbton jetzt leuchtender und kräftiger ins Auge fällt als in der vorangegangenen Zeit, da man nun Ziegelstückchen anstelle roter Steinchen oder Terra-sigillata-Stücke verwendet. Die roten Flächen werden nicht mehr durch unterschiedlich rote Steinchen im Farbton abgestuft, sondern einheitlich mit Ziegelstücken ausgelegt“ (
). Im Gegensatz zum Marmor und Kalkstein sind der Terra-sigillata-Geschirrbruch, wie auch der Ziegelbruch oder Amphorenscherben, nur bedingt witterungsbeständig und deshalb ausschließlich für die Innendekoration geeignet.Die Beschaffung von Terra sigillata-Geschirr erfolge auf vielfältige Weise, beispielsweise in Form von zu Bruch gegangenes Gebrauchsgeschirr, welches der Mosaizist weiterverarbeitete. Oder aber Teller, Tassen und Schüsseln, die aus der Mode gekommen waren und die der Auftraggeber den Mosaizisten als Steinmaterial für das Mosaik zur Verfügung stellte. Es mangelte jedenfalls im 3. Jahrhundert nicht an orangerot scherbigen Keramikgefäßen, die auf unterschiedlichsten Wegen als Recyclingprodukt enden konnten.
Ein solch vornehmes Tischgefäß, eine Reliefschüssel (Abb. 140 und Abb. 141). Die rot markierten Mosaikwürfel - wie auch die Randstückchen oben rechts – sind als Bruchstücke vom TS-Geschirr vom Niederbieber Typ 17, identifizierbar. Die Schale passt zum zeitlichen Entstehungshorizont des „Musen-Mosaiks“. Mosaiksteinchen mit Resten der Darstellung eines Blattes und des Zungenblattfrieses, wie auch ein Randstück stammen von diesem Schalentyp.
) als Auftragsgeschirr aus der gleichen Entstehungszeit wie das „Musen-Mosaik“, konnte aus mehreren Würfeln identifiziert werden (sieheDie Recyclingware wurde gleich den anderen Steinwürfelsorten, in genormte Würfel geschnitten und mit der Schauseite nach oben in den Kalkbrei gedrückt. Reliefs, bildliche Darstellung und Signaturen blieben als Rückseite im Mörtelbett geschützt und somit erhalten. Die Würfel behielten auch ihre natürliche rotglänzende Oberfläche, während auf der Ober- beziehungsweise Schauseite beim abschließenden Schleifen und Polieren der hinderliche glänzende Überzug abgetragen wurde und dunkle Orangetöne überwogen.


Bibliografie
- Fischer 1969
- Fischer, P. (1969). Das Mosaik, Entwicklung, Technik, Eigenart. Wien und München.
- Goethert 1999
- Goethert, K. (1999). Katalog der Motive. In Katalog der römischen Mosaike aus Trier und dem Umland. Trierer Grabungen und Forschungen, 16, S. 13-82. Trier.
- Gose 1950
- Gose, E. (1950). Gefässtypen der römischen Keramik im Rheinland. Köln.