Die Steingutmanufaktur in Septfontaines

Die Steingutmanufaktur in Septfontaines

Als Antwort auf die wachsende Nachfrage nach robustem weißem Tischgeschirr, welches preiswerter war als Porzellan, kam mit dem Steingut im 18. Jahrhundert ein neuer Keramiktyp auf. Die erste Steingutmanufaktur der Österreichischen Niederlande wurde 1766 in Septfontaines, vor den Toren der Stadt Luxemburg, von den aus Lothringen stammenden Gebrüdern Boch gegründet.

Angeregt wurde die Erfindung der besser als Steingut bekannten Pfeifenerde durch die steigende Nachfrage nach robustem weißem Tischgeschirr, welches preiswerter war als luxuriöse Fayencen oder Porzellan. Das sehr teure Porzellan wurde zwar seit mehreren Jahrhunderten aus China importiert, in Europa waren jedoch ab Mitte des 18. Jahrhunderts nur einige wenige Manufakturen in der Lage, dieses Produkt herzustellen, das sich somit nur Vermögende leisten konnten. Im 18. Jahrhundert entwickelten englische Keramikhersteller ein ähnliches, jedoch preiswerteres Erzeugnis: das Steingut. Dieser neue, aus Sandstein hergestellte weiße Werkstoff war feiner und zugleich robuster als die seit langem in Europa hergestellte herkömmliche Keramik.

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts kam es in Frankreich zur Gründung von Steingutmanufakturen. Bereits 1749 brachte Jacques Chambrette in Lunéville die lothringische Variante der Pfeifenerde auf den Markt, indem er der Rohmasse Kalk beimischte. Diese Art von Werkstoff sollten auch die Gebrüder Boch verwenden. Nachdem Lothringen ab 1766 zu Frankreich gehörte, waren die lothringischen Steingutmanufakturen der Konkurrenz französischer Erzeugnisse ausgesetzt und die Gebrüder Boch beschlossen, in Septfontaines, unweit der Stadt Luxemburg, die erste Steingutmanufaktur der Österreichischen Niederlande zu gründen.

Die Produktion wurde ein großer Erfolg. Die Gebrüder Boch konnten ihre Produkte auf einem großen Gebiet verkaufen und exportieren und wurden zum größten Steinguthersteller der Österreichischen Niederlande. Ihre Produkte waren die ersten, die mit den auf vielen chinesischen Porzellanerzeugnissen zu findenden blau-weißen Motiven verziert waren, die die europäischen Hersteller herkömmlicher Keramikwaren bereits seit langem übernommen hatten. Bei Form und Ausstattung ihrer Produkte ließ sich die Manufaktur in Septfontaines demnach von zahlreichen ausländischen Einflüssen inspirieren, wobei sie das Übernommene jedoch auf ihre eigene Weise anpasste. Zu den häufigsten Motiven gehörten das Kleeblatt sowie der als „brindille Chantilly“ bekannte Zweig, in Verbindung mit gewundenen Linien. Die gleichzeitige Verwendung dieser Elemente ist typisch für die Produkte aus Septfontaines. Hieraus entwickelte sich ein ganz besonderer Stil, der die später in der Region gegründeten Manufakturen beeinflusste.

Bei den Steingutprodukten aus dem 18. und 19. Jahrhundert spielte das Gebiet, auf dem sich heute Luxemburg und Belgien befinden, eine besondere Rolle. Zwischen den Erzeugnissen aus dieser Region bestand eine nicht zu bestreitende Ähnlichkeit und dank der merkantilistischen Politik der Österreichischen Niederlande konnten sich die Produkte durchsetzen und sich gegen die Konkurrenz importierter Steingut- und Porzellanwaren behaupten. Die belgisch-luxemburgischen Manufakturen verwendeten größtenteils die gleichen Formen und Verzierungen. Sie bevorzugten dabei stilisierte Verzierungen mit naturalistischen Motiven, wobei die blaue Camaieu die Grundlage ihrer Produktion darstellte. Durch eine weitgehende Vereinfachung der Verzierungen und eine weniger strenge Ausführung konnte die Produktivität maximiert werden. Die Produkte richteten sich zunächst vor allem an eine adlige oder bürgerliche Kundschaft, später jedoch auch an weniger vermögende Käuferschichten.

Unter den Manufakturen aus der Region dominierte die Boch-Manufaktur. Septfontaines war nämlich nicht nur die älteste Pfeifenerdemanufaktur aus der Region, sondern das vom Unternehmen erworbene Know-how ermöglichte zudem die Entwicklung hervorragender Zusammensetzungen der Rohmasse und Glasuren. Hinsichtlich des Produktionsvolumens sowie der Produkt- und Ausstattungsauswahl belegte das Unternehmen in den Österreichischen Niederlanden den ersten Platz.

 

Nachdem die Manufaktur 1794 im Zuge der Französischen Revolution zerstört worden war, baute Pierre Joseph Boch sie wieder auf und wurde 1800 deren alleiniger Inhaber. 1809 gründete sein Sohn Jean François Boch (1782-1858) die Steingutmanufaktur in Mettlach. Nach dem Wiener Kongress von 1815 verlor Septfontaines seine Märkte in Frankreich und den Niederlanden und die Manufaktur musste hinter Mettlach zurücktreten. Nach der Fusion mit Villeroy aus Wallerfangen im Jahr 1836, der Gründung der Steingutmanufaktur in La Louvière 1844, dem Kauf der Fabrik in Tournai 1850 und der Gründung der Fabrik in Dresden 1856 beschränkte sich die Rolle von Septfontaines zunehmend auf die Herstellung von Baukeramik.

Die Anfang der 1820er Jahre eingeführten aufgedruckten Verzierungen ermöglichten eine schnellere und kostengünstigere Produktion. Die Handmalerei wurde zunehmend verdrängt und verschwand nach 1850 fast ganz. Gleichwohl zeugen die Wegdewood nachempfundenen schwarzen Keramiken, die Pflanzenmotive sowie die als Majoliken bezeichneten mit einer gefärbten Glasur überzogenen Waren von der Vielfalt der damaligen Produktion. 

Während der gesamten zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und bis zum Ende des Ersten Weltkrieges erlebte Septfontaines einen allmählichen Niedergang. Die Baukeramik, auf die die Manufaktur damals spezialisiert war, erwies sich als wenig erfolgreich. Schönes Tischgeschirr sowie Neuheiten von Villeroy & Boch wurden nicht in Septfontaines hergestellt, sondern in Mettlach, Wallerfangen oder Dresden. Mit Ausnahme der Keramiken aus marmorierter Rohmasse, der Objekte mit marmorierter Glasur sowie der schwarzen Keramiken und Majoliken, die damals noch hergestellt wurden, entstanden zu dieser Zeit hauptsächlich Gebrauchsgegenstände. Der Jugendstil spielte in Septfontaines nur kurze Zeit eine Rolle.

In den 1920er Jahren beschloss die Luxemburger Manufaktur eine allmähliche Erweiterung ihrer Produktpalette. Auf der Suche nach neuen Ideen schloss sie Verträge mit der staatlichen Handwerkerschule (École d’Artisans de l’État) in Luxemburg, bemühte sich um Aufträge im Ausland und ließ sich von Gegenständen inspirieren, die 1925 auf der Weltausstellung in Paris gezeigt wurden. Eine neue Blütezeit in ihrer Geschichte erlebte die Manufaktur dank ihrer reichen Auswahl an Art-déco-Produkten. Ihren neuen Erfolg verdankte die Manufaktur dabei vor allem der Zusammenarbeit mit dem französischen Keramiker Jean Luce (1895-1964) sowie dem Pariser Haus Robj, mit deren Aufträgen die Produktion von Steingutfiguren begann. In den 1930er Jahren standen eine Fülle moderner Formen sowie eine Auswahl an Ausstattungen zur Verfügung, die von einem einzigartigen Einfallsreichtum zeugten.

 

Den Stil der 1950er Jahre findet man eher beim Tischgeschirr als bei den mit fließenden Linien gestalteten Figuren, wie z.B. jenen der „Bambi-Line“-Produktlinie. Mit der Einführung des Vitro-Porzellans kam es 1959 zum Ende der Steingutherstellung in Septfontaines. Mit neuen Verzierungen rückte das Tischgeschirr nun wieder in den Mittelpunkt des künstlerischen Interesses.
Im Zuge der Finanzkrise von 2008 beschloss Villeroy & Boch, den Standort Septfontaines 2009 zu schließen. Nach mehr als 240 Jahren bedeutete dies das Ende der industriellen Keramikproduktion in Luxemburg. 

Weiterführende Literatur

Schmitt, G. (1967). La faïencerie de Septfontaines-lez-Luxembourg (1767-1967): sa fondation, son histoire, sa production [Catalogue d'exposition]. Luxembourg: Musée national d'histoire et d'art. (Bibliothekskatalog)

Mousset, J.-L. (1991). Faïences fines de Septfontaines - Décors et styles de 1767 au début de XIXe siècle [Catalogue d'exposition]. Luxembourg: Banque Générale du Luxembourg. (Bibliothekskatalog)

 

Veröffentlichungsdatum: 14. Januar 2019

Letzte Aktualisierung: 1. Juli 2024

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