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Die Aciéries réunies de Burbach, Eich, Dudelange (Arbed) erhiel-
ten 1922 ein neues repräsentatives Verwaltungsgebäude in
der hauptstädtischen Avenue de la Liberté. Das Gebäude, wel-
ches nach den Plänen des französischen, in Brüssel wohnhaf-
ten Architekten René Théry im historistischen Stil errichtet
wurde, konnte nach zweijähriger Bauzeit am 9. Dezember
1922 feierlich eröffnet
werden.1
Im Erdgeschoss befand sich
der prachtvolle, im traditionellen Stil des Hauses gehalte-
ne Sitzungssaal des Verwaltungsrates. Aus diesem Raum
stammen acht Porträts herausragender Persönlichkeiten der
Luxemburger Stahlindustrie (Abb. 1). Sie schmückten den
mit ionischen Doppelsäulen aus Stuckmarmor, vergoldeten
Stuckaturen und Wandpaneelen verzierten Repräsentati-
onsraum, bis sie vor wenigen Jahren von ArcelorMittal dem
Nationalmuseum für Geschichte und Kunst (MNHA) zur
Verwahrung überlassen wurden (MNHA 2008-D005/001-
008).2
Die Porträtreihe präsentiert sich wie aus einem Guss
und hat dennoch eine Entstehungsgeschichte, die bis ins 19.
Jahrhundert zurückreicht und vermutlich bis in die Mitte des
20. Jahrhunderts andauerte. Diese soll im folgenden nachge-
zeichnet werden.
Das möglicherweise älteste Bildnis zeigt Norbert Metz
(1811-1885), der zusammen mit seinen Brüdern Auguste
und Charles im Jahr 1837 die Société Auguste Metz et Cie in
Berburg gründete (Abb. 2). Danach initiierte er 1870 die Met-
zeschmelz in Esch/Alzette. Im Jahr 1879 erwarb er die Rechte
zur Verwendung des Thomas-Gilchrist-Verfahrens, welches
eine Verarbeitung des lothringisch-luxemburgischen Eisener-
zes zu Stahl ermöglichte. Dies führte schließlich zum Bau der
Düdelinger Hütte.
Das Gemälde zeigt die Signatur „G Birrman̄.“ Hierbei han-
delt es sich um den Berliner Maler Gottlieb Biermann (1824-
1908), welcher an der Berliner Akademie der Künste, danach
in Paris im Atelier Coignets studierte und Italien bereiste,
bevor er sich 1854 wieder in Berlin niederließ. Dort erwarb er
sich schon bald einen Ruf als hervorragender Porträtmaler.
Beispielsweise stammen ein ganzfiguriges Bildnis von Kai-
ser Wilhelm I. oder ein Porträt des preußischen Handelsmi-
nisters Freiherr von Schleinitz von seiner Hand. Nach dem
Krieg 1870/71 war er, aufgrund seiner prunkvoll inszenier-
ten Damenporträts, einer der beliebtesten Porträtisten der
gründerzeitlichen Geldaristokratie. 1878 wurde er Professor
an der Berliner Akademie, deren ordentliches Mitglied er bis
zu seinem Tod
blieb.3
Das Bild zeigt Norbert Metz in repräsentativer Pose am
Schreibtisch sitzend, den Arm auf ein Buch gestützt. Er hat
ein Bein über das andere geschlagen und blickt den Betrach-
ter scheinbar direkt an. Das Porträt ist in dunklen Farbtönen
gehalten, der schwarze Anzug des Dargestellten hebt sich
von dem ganz in Brauntönen gestalteten Hintergrund kaum
1
CORPORATE COMMUNICATIONS, ARCELOR S.A. (Hrsg.): Arcelor. The Head
Office, Luxemburg o. J.
2
Die Initiative, die Porträtsammlung dem MNHA zu übergeben, ging dankens-
werterweise von Herrn Michel Wurth, Mitglied des Conseil d’administration von
ArcelorMittal, aus.
3
THIEME Ulrich (Begr.), BECKER Felix (Hrsg.): Allgemeines Lexikon der
Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Band 4 (Bida-Brevoort),
Leipzig 1999, S. 12-13 (Verf. des Stichwortes: F. Becker). Beide Schreibweisen
des Namens sind für den gleichen Künstler überliefert.
Gesichter der Luxemburger Stahlindustrie
Acht Porträts aus dem Sitzungssaal des
Arbed-Verwaltungsrates als Depot im MNHA
Ulrike Degen
Abb. 1 Fotografie des Sitzungssaales des Arcelor-Verwaltungsrates, um 2002,
entnommen aus CORPORATE COMMUNICATIONS, ARCELOR S.A. o. J., [S. 18].