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Empreintes
2008
ähnlichen Gefäßen aus dem 1. Jh. n. Chr., die meist aus Nord-
italien (Milano, Pavia) sowie der nördlichen Mittelmeerküste
(Nîmes) stammen. Eine farbige
Glaskanne 7
aus Grab 191 des
römischen Gräberfeldes „auf der Keckwiese“ von Kempten
kann als Bindeglied zweier Formen, bzw. einer Werkstattzu-
gehörigkeit angesehen werden. Die Parallelen der drei Ge-
fäße aus Kempten und Hellingen sind mehr als deutlich zu
erkennen.
Die Kemptener
Kanne 8
stimmt in der Form mit der Hellinger
Glaskanne (Inv. verrerie 11) überein, als Vorbild kann ein im
östlichen Mittelmeer verbreiteter Typ, die sogenannte Lagynos
gelten. Im Gegensatz zur Hellinger Kanne ist der Scherben
der Kemptener Kanne jedoch nicht durchscheinend bläulich,
sondern opak bunt gefleckt. Diese spezielle Art von „bunt-
gefleckten“ Gläsern kommen ausschließlich in augusteischer
bis claudischer Zeit
vor 9.
Überraschenderweise finden sich auch Parallelen zwischen
der Kemptener Kanne und dem anderen Glasobjekt aus Hel-
lingen. Nahezu identisch in Form und Farbe sind die Hen-
kel des Amphoriskos (Inv. verrerie 10) und der Kanne aus
Kempten ! Diese markanten Übereinstimmungen in Form,
Farbe und handwerklicher Handschrift der drei Glasobjekte
lässt auf eine gleiche Provenienz schließen.
Abb. 2 Römische Beigaben aus Grab B von Hellingen nach der Restaurierung.
(© MNHA).
Abb. 3 Kanne mit „buntgefleckter Verzierung“ 1.Hälfte 1.Jh. n. Chr. Kempten,
Inv. 1939, 1447c, Kat. 17fr (Wamser 2000, Weber 2000)
(Weber / Museum Kempten).
1
KRIER, REINERt 1993, S. 9ff.
2
Susanne BREtZEL, Diplomarbeit 2005 ; Die restauratorische und konserva-
torische Neubearbeitung eines römischen Amphoriskos aus Glas ; Vorgelegt
dem Fachbereich 5, Gestaltung, Studiengang Restaurierung / Grabungstechnik
der Fachhochschule für technik und Wissenschaft Berlin.
3
Olga EMGRUND, Semesterarbeit 2006 ; Dokumentation der restauratorischen
und konservatorischen Arbeiten im 1. Praxissemester im Bereich archäolo-
gisches Kunst- und Kulturgut ; Fachhochschule Erfurt.
4
WEDEPOHL 2003, S. 52.
5
HARDEN 1988, S. 88.
Die antiken literarischen Quellen zu diesem thema (Erfindung der Glaspfeife)
sind unpräzise und unzulänglich. Strabon (um 63 v. Chr.-22 n. Chr.) und
Plinius d. Ältere (23-79 n. Chr.) verdanken wir einige Einzelheiten. Strabon,
der im pontischen Amasya (Kleinasien) geboren wurde, überliefert, dass es
im östlichen Mittelmeerraum damals zwei Zentren der Glasindustrie gegeben
habe, nämlich Alexandria an der Nilmündung und Sidon an der phönikischen
Küste ; als drittes großes Produktionszentrum nennt er Rom. Weiter berichtet
Strabon, dass in Kampanien nördlich von Neapel eine selbstständige römisch-
italische Glasproduktion bestehe, die als Grundstoff den weißen Sand des
Flusses Volturnus benutze. Plinius d. Ältere äußert sich ausführlicher über die
kampanische Glasproduktion (N.H.xxxvi, 194) und erwähnt auch eines der bei
Strabon genannten anderen Zentren, nämlich die phönikische Küste, siedelt
dieses Zentrum allerdings nicht in der Gegend um Sidon an (obwohl er die
Stadt an anderer Stelle artifex vitri nennt, N.H v, 76), sondern ca. 80 Kilometer
weiter südlich, wo der kleine Fluss Belus (heute N’aman) südlich von Akkon
(dem antiken Ptolemais) ins Meer mündet.
6
FASOLD 1985, S. 204-219.
7
ROttLOFF, S. 92 in WEBER 2000.
8
Das Grabinventar von Hellingen gehörte zu einem „italienischen trinkservice“.
Zum Verteilen der Flüssigkeit am tisch benötige ich eine Kanne.
9
ROttLOFF, S. 92/93 in WEBER 2000.