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abgesehen – jeweils dort eingesetzt, wo mehrere Körperfalten
oder Schattenlinien zusammentreffen. Folglich werden we-
niger bestimmte Schatteneffekte gesucht, wie etwa die An-
gabe der Iris bei Figuren in der antoninischen Zeit, sondern
dem Auge des Betrachters markante Orientierungspunkte
gegeben 17. Körperteile werden dadurch offenbar akzentuiert
und gegliedert. Parallelen für diese Art der Arbeit begegnen
an verschiedenen Werkstücken des Rheinlandes, etwa an ei-
nem Rankenfries aus Köln, der wohl in die erste Hälfte des
2. Jahrhunderts n.Chr. zu datieren ist 18. Dazu passt auch die
Gestaltung des angelehnten Kindes.
Das Fragment wurde direkt neben dem Becken der römi-
schen Villa von Mersch gefunden (Abb. 1, 5). Damit könnte
auch der ursprüngliche Zusammenhang gegeben sein. Denn
Bilder von Flussgottheiten schmückten im Kontext von
Stadthäusern und Villen häufig Kanäle und Wasserbecken.
Ein frühes Beispiel bietet das Haus des Loreius Tiburtinus
in Pompeji 19. Dort handelt es sich um eine kleinformatige
Wiederholung eines solchen Bildes, das eingebettet ist in
eine Serie anderer kleinformatiger Bilder mit dionysischer
oder naturbezogener Thematik, die alle in den Grünflächen
und unter den Pergolen längs eines Kanals ihren Platz fan-
den, der das eigentliche Wohngebäude von der Gartenfläche
abgrenzte. Paul Zanker hat diese Art der Gestaltung aus dem
kleinbürgerlichen Geschmack der Besitzer – meist Freigelas-
senen – erklärt, die sich an den Vorbildern der Villenbesitzer
orientierten 20.
Aus diesen Villen ist das gewiss am besten bekannte Beispiel
die Gruppe von Nil und Tiber am Kopfende des künstlich
angelegten Teiches am so genannten Kanopus der Villa Ha-
driana bei Tivoli. Die Präsenz der Verkörperungen der Flüsse
förderte wahrscheinlich zusätzlich die Vorstellung einer Bil-
dungslandschaft, also etwa die Erinnerung an den Kanopus
oder den Euripus in Ägypten 21. Hinzu kommt die Statue ei-
nes Nil aus der Villa des Domitian bei Castel Gandolfo, die
aus schwarzem Marmor gearbeitet ist 22. Eine entsprechende
Statue hatte schon das Forum des Vespasian geschmückt.
Das Bild in der Kaiservilla unterstrich in dieser Hinsicht den
Anspruch der Anlage. Personifikationen von Wassergotthei-
ten sind in der Ausstattung von Häusern und Villen nicht
gerade häufig nachzuweisen 23. So dürften zwar eine ganze
Reihe der bekannten Statuen von Flussgöttern einem solchen
Ambiente zuzurechnen sein, denn sie besitzen oft nur geringe
Abmessungen und sind überdies auch bisweilen in kleinfor-
matige Brunnen eingebunden 24, aber ein gesicherter Befund
fehlt.
Abb. 3 Statue des Nil, Rom, Vatikanische Museen, Braccio Nuovo (© DAI Rom).