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Unter diesen weltlichen Stücken befand sich ein Olivenlöffel,
den das Museum nach der Ausstellung aus belgischem Pri-
vatbesitz erwerben konnte (2005-021/001). Es handelt sich
um einen 31 cm langen Löffel, dessen spatelähnlich en-
dender Griff auf beiden Seiten mit doppelten Rillen verziert
ist. Die zungenförmig angesetzte Laffe ist aufwändig durch-
brochen, am Rand mit einer Linie von abwechselnd ovalen
und runden Löchern. Zudem erkennt man einen stilisierten
vegetabilen Dekor, der sich aus Blattwerk und einer achtblätt-
rigen Blüte an der Löffelspitze zusammensetzt. Im Zentrum
der Laffe befindet sich das bekrönte Wappen des einstigen
Besitzers, Baron Théodore-François de Lefébue, lieutenant-géné-
ral des armées, welches von zwei Wappenhaltern, vermutlich
Windhunden, flankiert wird. Auf der nach außen gewölbten
Seite des Löffels ist das zentrale Motiv zusätzlich ziseliert.
Dem Baron de Lefébue wurde der Titel von Kaiserin Maria-
Theresia am 5. August 1718 verliehen. Er war der Sohn des
Antoine de Lefébue, ehemals Kommandeur der Stadt Arlon,
und Enkelsohn des Guillaume Lefébue, der 1639 von Kaiser
Ferdinand das Adelspatent erhalten
hatte.9
Dieser repräsentative Löffel trägt einen Lilienstempel und
das bekrönte Meisterzeichen „IW“ von Johann Michael
Wunderlich (1748-1820) aus Vianden, Sohn des Viandener
Goldschmieds Gerhard Gottlob Wunderlich (1718-1778).
Im Jahre 1794 heiratete er in Echternach Maria Catharina,
Tochter der Catharina Keel und des Antonius Hartmann.
Von J. M. Wunderlich waren bislang jener Olivenlöffel, ein
ebenfalls mit Besitzerwappen verzierter Ragoutlöffel sowie
zwei Kelche und einige schlichte Besteckteile
bekannt.10
Erst nach bzw. dank der Ausstellung sowie der Publikation
von Eva Toepfer konnte eine weitere Goldschmiedarbeit
aufgefunden und vom Museum angekauft werden. Es han-
delt sich um eine birnenförmige, 25,9 cm hohe Kaffeekanne
(2005-115/001), die auf drei geschwungenen Volutenfüßen
steht. Die s-förmig geschweifte Fassonierung des Kannen-
körpers wird auf dem aufzuklappenden Deckel in leicht
modifizierter Form fortgeführt. Die Deckelbekrönung bildet
eine Frucht inmitten einer Blüte mit sechs Blättern ab. Der
schlichte Ausguss ist angesetzt und auch der volutenförmig
geschwungene, dunkel gebeizte Holzgriff entbehrt jeden ge-
schnitzten Dekors.
Die Kanne trägt die gleichen Stempel wie der besprochene
Olivenlöffel. Mit dem Lilienstempel, der auch von anderen
Meistern aus Luxemburg benutzt wurde, kennzeichnete man
das sogenannte „argent de Bruxelles“.11 Dieses Silber hat einen
höheren Feingehalt, der „im Herzogtum Luxemburg nur selten
und überwiegend bei profanen Silberarbeiten verwendet worden
zu sein“
12
scheint.
Im Vergleich mit der Milch- und der Kaffeekanne von Johann
Christoph Walch (nach 1734-1791), die das Nationalmuse-
um bereits 1995 erwerben konnte (1995-45 und 1995-50), ist
die Kanne im Dekor schlichter, besitzt jedoch den höheren
Feingehalt. Das reich mit Rocaillen und Blütenranken ver-
zierte Paar von Walch ist aus 14lötigem Silber, was einem
Feingehalt von 875 ‰ entspricht. Stilistisch und formal ver-
binden die Luxemburger Kannen Charakteristika deutscher,
französischer und belgischer Stücke.
Zwar tragen die Kannen kein Wappen, und auch ihre ur-
sprüngliche Herkunft ist leider nicht überliefert, sie dienten
jedoch zweifelsfrei der Repräsentation. Beispielsweise zeigt
ein um 1780 in Öl auf Leinwand gebanntes Porträt im Mon-
schauer Roten Haus ein bürgerliches Ehepaar mit einer
ähnlichen Kaffeekanne, Tassen und einer Schale aus Silber.
Die dargestellten Wilhelm und Theresia Scheibler gelangten
als Tuchmacher und Kaufleute zu Reichtum und Ansehen.
Der Kaffeegenuss an sich war damals Luxus. Das kostbare
Getränk wurde erst seit dem 17. Jahrhundert importiert, war
zunächst dem Adel vorbehalten und begann erst nach und
nach gut situierte bürgerliche Haushalte zu erobern. Aufgrund
der Darstellung mit Kaffeegeschirr aus dem teuren Material
Silber konnte und sollte dem Betrachter das Selbstverständ-
nis des Ehepaares Scheibler nicht verborgen bleiben.
Zwar nehmen in Luxemburg die bisher bekannten Silberar-
beiten für den profanen Gebrauch gegenüber den sakralen
Werken nur einen geringen Raum ein, dennoch ist dies das
wichtigere Sammlungsgebiet für das Nationalmuseum. Denn
während das Kirchensilber fast ausnahmslos im Besitz der
Kirchenfabriken verblieb und oftmals noch heute in litur-
gischem Gebrauch ist, kann man zumindest hin- und wie-
der ein profanes Werk im Kunsthandel entdecken. Mit dem
Erwerb der zwei bedeutenden Goldschmiedearbeiten im
Jahr 2005 erweitert sich der Bestand des Nationalmuseums
an Luxemburger Silber auf vierzehn profane Objekte sowie
zwei Votivbilder und eine Ewig-Licht-Ampel.<
9
Toepfer 2004, Kat. 101 b, S. 366-367. Ein ähnliches Stück verbirgt sich vermut-
lich hinter der Bezeichnung „grandes cueilleres […] a olive aux memes armes”
in dem 1752 von Anne Catherine Michelot, der Ehefrau des Goldschmiedes
Johann Michael Kutzer (um 1700-1766), angefertigten Inventar des Nachlasses
de Mignon ; vgl. Degen 2004.
10
Toepfer 2004, S. 193-194 sowie Kat. 101 a-c, S. 365-369.
11
In einer 1551 in Brüssel von Kaiser Karl V. erlassenen Verordnung wurde,
unter Berufung auf eine frühere Verordnung aus dem Jahr 1517, der höhere
Silberfeingehalt (916 ‰, bzw. 944 ‰) für die gesamten Niederlande festge-
legt. Vgl. hierzu Toepfer 2004, S. 59-62. Hierauf bezieht sich vermutlich die
Bezeichnung „Brüsseler Silber“ im erwähnten Inventar von 1752.
12
Toepfer 2004, S. 79-80 und 228-229.