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Empreintes
2010
unvollständig dargestellt, denn er wird von spitz zulaufenden
Gewandfalten in der Brustmitte durchbrochen. Der Man-
tel tritt als paralleler Faltenstrang unter dem angewinkelten
rechten Arm hervor und verläuft mit gedrehter Bauschung in
großer Kurve um den Schoß der Göttin. Wieder ansteigend
überquert er den linken Oberarm, fällt dahinter als Stoffbahn
herab und endet schließlich in einem Zipfel. Die Rückseite
der Statue wird von langen, schrägen Mantelfalten bedeckt,
die einerseits unter der Aegis beginnen und andererseits in
einer unklaren Verbindung zu dem gerade herabfallenden
Mantelstoff unter dem linken Arm der Göttin stehen. Es
handelt sich um eine Gewandführung, die realiter zu Boden
gleiten würde!
Auffälligerweise entspricht die Haltung dieser Minerva-
Statuette den meisten der in Dalheim gefundenen Darstel-
lungen der Göttin. Bis auf eine
Ausnahme 17
gilt dies sowohl
für
Bronzebildnisse 18
als auch für eine Aedicula aus Kalk-
stein 19.
Daher sei die Vermutung gestattet, daß diese Minerva
das wichtigste Kultbild der Göttin in Dalheim widerspiegelt
und daß – aufgrund der mit Silber ausgelegten Augen – unser
Augapfel einst ein Bestandteil davon gewesen sein könnte.<
17
E. WiLHELM, Bronzes figurés de l’époque romaine,
2e
édition, Luxembourg
1975, 10 und 40-41 Kat.-Nr. 11.
18
WiLHELM a.o. 11 und 42 Kat.-Nr. 12. - KRiER, Neue zeugnisse a.o. 60-64
mit Abb. 6.
19
E. WiLHELM, Pierres sculptées et inscriptions de l’époque romaine,
Luxembourg 1974, 54 und 110 Kat.-Nr. 341. – sehr ähnlich sind außerdem
eine Aedicula (ohne Provenienz) im Rheinischen Landesmuseum Bonn, siehe:
H. LEHNER, Die antiken steindenkmäler des Provinzialmuseums Bonn, Bonn
1918, 73 Kat-Nr. 147, und G. BAUCHHENss, Götter im römischen Rheinland,
Das Rheinische Landesmuseum Bonn 2003, Heft 1, 9-10 mit Abb. 3, sowie ein
kleine Aedicula aus Blei (ohne Fundort und ohne inv.-Nr.) in den sammlungen
des MNHA.