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N°I 2025 MuseoMag
NEUERWERBUNG
AUCH GODENSCHÜSSEL GENANNT
Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass eine so wertvolle
Silberschale lediglich dem Transport einer Mahlzeit
über einen sehr begrenzten Zeitraum diente. Auch
damals, als Plastik natürlich noch nicht erfunden
war, hätte man praktischere und billigere Materia-
lien zur Verfügung gehabt. Was also hat es mit der
Schale auf sich? Zur Beantwortung dieser Frage hilft
die für jene Art von Gefäß im deutschen Sprachraum
ebenfalls übliche Bezeichnung als Godenschüssel
weiter. Nicht selten übernahm nämlich die zukünf-
tige Taufpatin des/der Neugeborenen – in vielen
deutschen Dialekten wird die Patentante God oder
Godel genannt, was etymologisch mit den luxembur-
gischen Bezeichnungen Giedel oder Gued verwandt
ist – die Aufgabe, die Wöchnerin mit kräftigenden
Speisen zu versorgen. So entwickelten sich aus an-
fangs vermutlich schlichten Transportbehältern im
Laufe der Jahrzehnte schön gestaltete und auch
aufgrund des Materials wertvolle Zierschalen, die
dann zugleich als bleibendes Taufgeschenk dienten.
Die praktische Bedeutung als Schale to go trat
in den Hintergrund zugunsten des symbolischen
und materiellen Wertes. Man kennt aus dieser Zeit
äußerst aufwendig gefertigte Godenschalen mit
ausgefallenen Verzierungen und dem Anlass ent-
sprechenden Inschriften, die fast zu schön für den
Gebrauch sind. Auch bei der Neuerwerbung kann es
sich allein aufgrund des Materialwerts – die massiv
silberne Schale wiegt 549 Gramm – um ein solches
Taufgeschenk gehandelt haben. Die Innenseite ist
zudem vergoldet, was die Doppelschale zusätzlich
aufwertet.
EIN KUNSTWERK VON POELCKING
Die Godenschüssel – bis zum Beweis des Gegen-
teils sei diese Bezeichnung erlaubt – zeigt auf der
Unterseite das gut lesbare Meisterzeichen „IHP“
von Johann Heinrich Poelcking. Der ursprünglich
aus Westfalen stammende Goldschmied wurde 1771
Bürger der Stadt Luxemburg. Dort heiratete er Maria
Josepha Scheffer, die Witwe des Goldschmieds
Johann Christoph Chevalier (ca. 1737-1767) und
Tochter des bekannteren Goldschmieds Johann
Scheffer (1700/07-1766). Poelcking erwarb im selben
Jahr das Krämeramt, da diese Zunftzugehörigkeit
notwendig war, um als Goldschmied in der Haupt-
stadt tätig zu sein. Nach der Geburt zweier ge-
meinsamer Kinder starb seine Gattin im Jahr 1774.
Poelcking heiratete Catharina Dutreux in zweiter
Ehe, aus der zwei Söhne und eine Tochter hervor-
gingen.
Aufgrund der umfangreichen Recherchen von Eva
Toepfer zur historischen Luxemburger Goldschmiede-
kunst ist zudem bekannt, dass Poelcking sich als
Geschworener der Goldschmiedezunft engagierte.
So unterzeichnete er 1780 gemeinsam mit Johann
Christoph Walch, der bereits seit 1759 Bürger der
Stadt Luxemburg war und 1791 verstarb, eine Ein-
gabe an den Magistrat der Stadt Luxemburg, die
Ordnung der Goldschmiede betreffend. Seit 1796
war Poelcking nachweislich als „appréciateur des
matières d’or et d’argent nommé par l’Administration“
tätig, also als Schätzer der französischen Verwaltung
des Wälderdepartements. In dieser Funktion stem-
pelte er Silber- und Goldarbeiten nach der soge-
nannten neuen Ordnung. Er verstarb im Jahr 1799.
Obwohl das Museum seit dem Ausstellungs-
projekt „Trésors insoupçonnés. Orfèvrerie ancienne
au Luxembourg“ im Jahr 2004 seinen Bestand an
profanen Goldschmiedewerken aus Luxemburg um
bedeutende Stücke erweitern konnte, fehlte in der
Sammlung bislang eine Silberarbeit von Johann
Heinrich Poelcking. Die Godenschüssel schließt nun
diese Lücke.