Gegenüber bemerken wir einen Traubenleser im Weinberg (40). Wie
die benachbarten Fragmente stammt er vom kolossalen Grabdenkmal
eines Großwinzers und Weinhändlers, der um die Mitte des 2. Jahr-
hunderts einen Gutshof direkt an der Mosel beim heutigen Remer-
schen besaß (vgl. Saal 15).
Wenn wir den Blick an dem Remerschener Relief vorbei in den näch-
sten Raum gleiten lassen, erfreut uns eine schöne Szene, die wohl
demselben Monument im Moseltal angehörte. Vitis, die Rebengott-
heit, steht inmitten reichbehangener Weinstöcke, begleitet von zwei
traubenlesenden Genien und zwei Stelzvögeln, die heimlich an den
Trauben naschen (39). Der gewaltige Quader wurde zur fränkischen
Zeit als Sarkophag ausgehöhlt, um die sterblichen Überreste eines
Frankenführers bei Emeringen aufzubewahren; später kommen wir
nochmals auf ihn zu sprechen.
Im Durchgang zu Saal 10 erhebt sich ein Altarstein. Er stand zu Al-
trier und war dem Jupiter geweiht, wie die Buchstaben J(ovi) O(pu-
mo) M(aximo) und andere Attribute bezeugen. In den vier Schaukä-
sten gegenüber prangt eine Auswahl unserer römischen Gläser (41).
Viele stammen aus Steinfort: Kannen, Schalen, Kopfflasche, usw.
Die wunderschöne Mosaikschale lag in einem Grabe bei Hellingen
neben einer bronzenen Gesichtsmaske. die wir später sehen werden.
Ich môchte noch besonders hinweisen auf den Scblangenfadenbecher
aus Junglinster (43), eine Henkelflasche aus Steinfort (42), zwei Rip-
penschalen aus marmoriertem Buntglas, ein Fláschchen aus Strassen,
eine Rippenschale von Wasserbillig, mehrere kugelfórmige oder vier-
kantige Flaschen, sowie die zierlichen “Tränenffischchens. Für wei-
tere Einzelheiten über die zahlreichen Gläser verweise ich auf den be-
sonderen Katalog.
In einer benachbarten Vitrine reihen sich einige Dutzend der vielen
Terrakotten, welche wir besitzen (44). Matres (45) oder andere Gott-
heiten wie Minerva, Fortuna, Venus und Merkur, die ihren Platz in
einem häuslichen Winkel hatten, stehen neben Votivgaben, Spiel-
zeug, Geburts- oder Hochzeitsgeschenken. In der Mehrzahl bei Al-
trier gefunden, dürften die meisten auch hier entstanden sein. Andere
kommen von Martelingen, Dalheim usw. Eine Minerva (mit Früch-
ten!) von Niederwampach trägt auf der Rückseite die Marke des Töp-
fers Fidelis, welche sich auch auf einer Mater vom Titelberg befindet
(46).
Gegenüber sehen wir einen walzenförmigen Grabstein, dessen In-
schrift «sub ascia» uns besagt, dafi er den Manen - D(is) M(anibus) -
des Primanius Primitivus und seiner Gemahlin Matus von ihren Kin-
dern errichtet wurde. Wie viele andere Denkmäler wurde dieser Stein
1671 in der spätrömischen Ringmauer Arlons entdeckt und im Hause
Neunheuser in Luxemburg eingebaut, wo er vor kurzem geborgen
wurde.
Säle 7 und 8
In der Mitte des Saales 7, an der Kreuzung sozusagen zweier Durch-
gänge, steht eine Säule mit vier in entgegengesetzter Richtung blik-
kenden Köpfen. Zwei bärtige Häupter mögen wohl Herkules darstel-
len, die beiden andern Merkur. Herkunftsort ist Niederkerschen,
unweit vom Titelberg. Die Säule stand sicherlich inmitten einer alten
Straßenkreuzung. Bewundern wir die feingearbeiteten Eckgesimse
und Architrave verschiedener Denkmäler von Dalheim (49), Mersch
(47) und Wasserbillig. Weinranken, Akanthussträuße und geometri-
sche Muster schmücken sie. Mehrere Quader wurden in der Mitte des
19. Jahrhunderts in den Fundamenten der alten Pfarrkirche von
Mersch wiedergefunden, wo sie im Mittelalter wiederverwendet
worden waren. Wahrscheinlich stammten sie ursprünglich aus be-
deutenden Gebäulichkeiten der nahen «Mies». Der Grabungsplan
von 1966 läßt uns die Ausdehnung erahnen, welche diese vom 1.—.
Jahrhundert belegte Villa einnahm. Eine Hypokaustanlage, Mosaik-
böden, Freskomalereien und ein großes Wasserbecken von 385 cbm
Inhalt zeugen vom Prunk dieses Herrensitzes. Wahrscheinlich diente
er gegen Ende des 1. Jahrhunderts einem hohen Offizier, der zugleich
das Amt eines Priesters bekleidete, als Residenz. Eine sehr schöne In-
schrift aus Mersch spricht von diesem Flamen des Augustus und des
Lenus Mars mit fünfjähriger Amtszeit, der zugleich Kommandeur
der spanischen Reiterkohorte, Militártribun der 9. Legion «Hispana»
und Befehlshaber des augusteischen Flügels der leichten Kavallerie
der Voconuer gewesen war (48).
Wir schauen uns noch einige Kópfe und weitere Grabinschriften aus
Mersch an und kehren dann um.
Ehe wir Saal 9 betreten, blicken wir nach dem Eckgesims, welches
links von der Tür einen Pfeiler krönt. Auf den drei Seiten tummeln
sich Seeungebeuer; dieses beliebte Motiv auf Grabmälern erinnert an
den Zug, welcher die Verstorbenen begleitete, wenn sie den Unter-
weltsflufi in Charons Kahn überquerten. Zwei Modelle zeigen ver-
schiedene Ausgrabungsstadien der Thermen von Mamer, sowie einen
Rekonstruktionsversuch.
Saal 9
Sr,
Die lange Wandvitrine zeigt zur Linken eine Auswahl schwarzgefir-
nißter Becher; daneben prangt eine Menge von Terra-Sigillata (50).
Dieses Luxusgeschirr sollte anfangs Silbergefäße nachahmen. Ty-
pisch sind der harte Scherben und der glánzendrote Überzug; Relief-
iguren zieren oft die Wandung. Da die Hersteller meist ihre Fabri-
kate stempelten, ist diese Keramik zeitlich leicht zu bestimmen.
Große Reliefschisseln, Schalen, Tassen, Platten, Krüge, Môrser, Tin-
tenfässer und Gefäße aller Art sieht man hier; sie entstanden in den
Werkstätten Italiens, in Süd- oder Mittelgallien (51), am Rhein und in
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