21 N°II 2025 MuseoMag FORSCHUNG EINE FREUNDLICHE EINLADUNG Neugierig geworden, griff ich zum Telefon. Die Ver- mutung bestätigte sich, und es wurde großzügiger- weise ein Treffen vereinbart, schon in der drauf- folgenden Woche. Ich konnte die Figurengruppe „Der Raub der Europa“, deren Material und Technik im Katalog mit „céramique craquelée“ angegeben wurde, genau betrachten. Sie ist in der Ausführung identisch mit der erwähnten Plastik „Don Quichotte und Sancho Panza“ des Museums, sie wurde laut Aufschrift ebenfalls in der Auflagenhöhe von fünf- zehn Exemplaren produziert und sie weist die gleiche Art der Signatur auf. Somit kann bestätigt werden, dass es sich um eine Steingutfigur handelt, die Leon Nosbusch im Auftrag des Verlagshauses Nerva entworfen hatte und die in der belgischen Steingutmanufaktur La Céramique Montoise herge- stellt wurde. Insbesondere die Signatur samt Serien- nummer, die erst nach Fertigstellung der Werke von den Künstlern als eine Art Qualitätsgarantie aufge- tragen wurde, erlaubt diese Zuschreibung. Stilistisch passt die Figur der Europa auf dem ge- flügelten Stier zu Nosbuschs Werken dieser Zeit. Die Darstellung des weiblichen Akts auf dem davon- eilenden Stier wirkt fast naturalistisch, während der Sockel sich aus geometrischen Formen zusammen- setzt, die Meereswellen allenfalls andeuten. Deutlich geometrischer als die Körper wirken zudem die Flügel des Stiers und Europas Haare. Die griechische Mythologie erzählt die Geschichte des Götterkönigs Zeus, der sich in Europa verliebt und sich in einen Stier verwandelt, um sie auf seinem Rücken übers Meer nach Kreta zu bringen, wo er ihr schließlich seine wahre Identität offenbart. Nosbusch interpre- tiert die Erzählung nicht als Raub, vielmehr scheint sich Europa freiwillig, verliebt an das Tier geschmiegt, auf die Reise zu begeben. Die Flügel, die in ande- ren Darstellungen des Themas eher selten zu finden sind, und die nach vorn und nach oben strebende Bewegung von Europa und Zeus verleihen der Figur eine beeindruckende Dynamik, die charakteristisch für den Art déco-Stil ist. MEHR ALS ERWARTET Die Entdeckung der Figurengruppe sollte nicht die einzige Überraschung bleiben, vielmehr wartete bei meinen Gastgebern eine weitere auf mich. Denn tatsächlich konnte ich noch eine andere Wissens- lücke schließen. Bei meinem Beitrag über Léon Nosbusch in der Publikation „Art déco au Luxem- bourg“, die 2021 vom Nationalmuseum veröffentlicht wurde und durch den die Eigentümer der Plastik auf mich aufmerksam geworden waren, handelt es sich um den Versuch einer Bestandsaufnahme seiner Art déco-Keramiken. Anhand einiger Zeitungsartikel, die zu seinen Lebzeiten erschienen waren, anhand