20 MuseoMag N°II 2025 Die Figurengruppe „Der Raub der Europa“ weist eine beeindruckende Höhe von 46 cm auf und ist 61 cm breit. VON GELEHRTEN AFFEN, EINEM GEFLÜGELTEN STIER UND EUROPA Neue Erkenntnisse zu den Art déco-Keramiken von Léon Nosbusch Routine, zunächst. Ich öffnete meine Mailbox und las die Nachricht einer Kollegin, die am Empfang des Museums arbeitet: „Kannst du bitte einen unserer Besucher anrufen, bei Gelegenheit? Der Herr hat im Art déco-Buch etwas über den Raub der Europa gelesen und hat eine solche Figur zu Hause stehen.“ TATSÄCHLICH ROUTINE? Sehr schnell wurde mir klar, wie interessant der Hinweis ist und einen solchen erhält das Museum eben nicht alle Tage. Es könnte sich womöglich um die Keramikfigur „L’Enlèvement d’Europe“ handeln, eine Plastik des Luxemburger Künstlers Léon Nosbusch (1897-1979), deren Existenz bislang nur aus schriftlichen Quellen bekannt war. Aufgeführt wird sie in dem Ausstellungskatalog des Cercle Artistique de Luxembourg (CAL) von 1930 unter der Nummer 140 als Pendant zu der Keramikfigur „Don Quichotte et Sancho Pança“ mit der laufenden Nummer 139. Letztere ist seit 2017 im Bestand des National- museums. Sollte sich das Gegenstück tatsächlich in einer Luxemburger Privatsammlung befinden? Léon Nosbusch besuchte bis 1918 die Luxemburger Handwierkerschoul, um sich dann an der Brüsseler Académie Royale des Beaux-Arts als Bildhauer ausbilden zu lassen. Obwohl Nosbusch anfangs fraglos auch aufgrund einer schlechten Auftrags- lage für freischaffende Künstler begann, sich in den 1920er Jahren für Keramik zu interessieren, prägten ihn der künstlerische Wettbewerb und die Zusammenarbeit in diesem Kunsthandwerk mit renommierten Bildhauerkollegen aus Frankreich und Belgien maßgeblich. In diesem kreativen Umfeld schuf der Luxemburger Bildhauer Modelle im ex- pressiven Art déco-Stil, die von dem Verlagshaus Les Éditions Nerva ediert wurden und zu den aus- drucksstärksten Arbeiten seines Œuvres zählen. Dass diese auch in Luxemburg rezipiert und be- wundert wurden, belegen zahlreiche Ausstellungs- beteiligungen im Großherzogtum und die Vergabe des Prix du Grand-Duc Adolphe an Nosbusch im Jahr 1929. © mnaha / tom lucas