10 MuseoMag N°III 2024 Die Installation einiger Werke, die aufgrund ihrer Materialität und der Art ihrer Aufhängung ungewöhnlich sind, forderte den Einfallsreichtum der Regie heraus. AUSDRUCKSFORMEN OHNE GRENZEN Supports/Surfaces in unserer Sammlung zeitgenössischer Kunst Nach Gründung der Sammlung internationaler zeitgenössischer Kunst des MNAHA im Jahre 1957 konzentriert sich ihr Ausbau unter dem ersten Kurator Joseph-Émile Muller vor allem auf die französische Nachkriegsabstraktion, insbesondere die sogenannte abstraction lyrique. Eine geschickte Ankaufspolitik ermöglicht es trotz bescheidener Ankaufsbudgets in drei Jahrzehnten ca. 130 Werke zusammenzutragen. Seit den 1990er Jahren erfolgt durch Direktor Paul Reiles und Konservator Jean Luc Koltz eine strate- gische Erweiterung der Sammlung um wichtige Werke der sogenannten figuration narrative. Diese Bewegung, in den 1960er Jahren als Reaktion auf die Abstraktion entstanden, greift soziale, politische und historische Themen auf. Im Laufe von zwei Jahrzehnten gelingt es, eine bedeutende Sammlung musealer Werke dieser Gruppe aufzubauen, was u. a. die Position des Museums im Bereich des internatio- nalen Leihverkehrs erheblich stärkt. REAKTION IN THEORIE UND PRAXIS Ab etwa 2010 tritt die Sammlungsstrategie dann in ihre vorerst letzte Phase. Im Zentrum stehen seither sowohl eine Diversifizierung der Medien als auch eine Stärkung bereits bestehender Sammlungsschwer- punkte. Neben der modernen Kunstfotografie – aus- gehend von einem Kernbestand an Abzügen von Edward Steichen – rückt dabei quasi automa- tisch auch die französische Avantgarde-Bewegung Supports/Surfaces in den Fokus. In den 1960er Jahren entstanden, stellt sie die Materialität der Leinwand in den Mittelpunkt und führt innovative Techniken und Materialien ein. Ihre Vertreter lehnen die traditionelle Behandlung des Malträgers ab. Sie erforschen die inhärenten Qualitäten der Leinwand, was zu neuen Ausdrucksformen führt. Einige von ih- nen überschreiten auch bewusst die Grenze zu an- deren Ausdrucksformen, insbesondere der Skulptur. Der Aufbau eines kohärenten Ensembles von Supports/Surfaces-Werken erscheint aus mehre- ren Gründen naheliegend. Zum einen handelt es sich um die letzte bedeutende französische Avantgarde-Bewegung des 20. Jahrhunderts. Zum anderen reagieren ihre Künstler in Theorie und Praxis auf die bereits bestehenden zwei Sammlungsschwerpunkte im Bereich der franzö- sischen Malerei der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts © éric chenal