23 N°I 2024 MuseoMag AUSSTELLUNG FELSENBIRNE: VOM MORGENROT ZUR ABENDDÄMMERUNG Der in Luxemburg geborene Steichen war noch ein Kind, als seine Familie in die USA auswanderte. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts führte ihn sein kreativer Schaffensdrang zurück nach Europa und Frankreich, wo er seine Malerei und fotografische Technik verfeinerte und in Kreisen bekannter Künstler, Bildhauer, Fotografen, Schriftsteller und Politiker ver- kehrte. Steichen fotografierte häufig auch Freunde und Bekannte. Die Ausstellung konzentriert sich auf Bilder aus dieser Zeit, die im Stil des vor dem Ersten Weltkrieg populären Piktorialismus entstanden sind. Edward Steichen war ein Meister und Befürworter dieses Stils und Mitglied der amerikanischen Photo-Secession, die sich um eine breite Aner- kennung dieses Stils bemühte. Neben Porträts von J.P. Morgan, George Bernard Shaw und Theo- dore Roosevelt sind in diesem Teil der Ausstellung atemberaubende Landschaften zu sehen, darunter der gefeierte Mondaufgang – Mamaroneck von 1904, der als „Höhepunkt des Piktorialismus und einzig- artiges Kunstwerk... eine der wertvollsten Fotografien der Welt“ beschrieben wird. Der Großteil der Aus- stellung zeigt Porträts, die Steichen zwischen 1923 und 1937 für Vanity Fair und Vogue von Künstlern, Schauspielern, Wissenschaftlern, Autoren, Politikern und Wirtschaftsmagnaten aufgenommen hat, darunter Pola Negri, Charlie Chaplin, Greta Garbo, Winston Churchill und Thomas Mann. Während die Besucher diese Werke betrachten, erfahren sie mehr über die Anfänge der Fotografie und darüber, wie das Medium genutzt wurde, um die öffentliche Persona eines Menschen zu formen. Die dynamischen Porträts berühmter Persönlich- keiten dieser Zeit, inspiriert von Moderne, Kino und Art déco, revolutionierten die Mode-, Werbe- und kommerzielle Fotografie der Zwischenkriegszeit. Die Krönung der Ausstellung stellt die Farbfotografie einer Felsenbirne dar, die im Garten von Steichens Haus in den USA wuchs. Der Künstler widmete seine letzten Jahre der Dokumentation dieses Strauches zu verschiedenen Tageszeiten im Laufe des Jahres. ÜBER 50 BRANDNEUE ERWERBUNGEN Ich nahm an der Eröffnung der Ausstellung in Krakau teil und hielt dort im Rahmen des öffentlichen Pro- gramms einen Vortrag. Über 500 Besucher kamen zur Vernissage, und sowohl die Präsentation als auch der begleitende Sammlungskatalog des MNAHA (der als Publikation zur Ausstellung dient) wurden sehr gut aufgenommen. Der Erfolg Steichens in Polen unterstreicht die Anziehungskraft, die der luxemburgische Pionier der Fotografie auch heute noch auf Kunstliebhaber und Museumsbesucher ausübt. In diesem Sinne können sich Interessierte auch auf das Programm in unserem Land freuen: In einer demnächst stattfindenden Ausstellung des MNAHA werden über 50 brandneue Erwerbungen der luxemburgischen Sammlungen gezeigt: Foto- grafien, die entweder Edward Steichen zeigen oder vom Künstler selbst stammen. Zu letzterer Kategorie gehört ein großes Ensemble von Werken, die kürz- lich von der Galerie Clairefontaine und ihrer re- nommierten Direktorin Marita Ruiter für die natio- nalen Sammlungen zusammengetragen wurden. Die Präsentation dieser Werke findet in der 5. Etage des Nationalmusée um Fëschmaart statt, die nach mehrjähriger Schließung ab dem 14. März 2024 wieder für das Publikum geöffnet sein wird. Ruud Priem Ruud Priem (rechts), Abteilungsleiter der Bildenden Künste des MNAHA, bei der Ausstellungeröffnung in Krakau