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Der jüngst von Jutta Zerres veröffentlichte beinerne Aug- 
apfel, welcher 1979 unweit des Xantener Hafentempels ge- 
funden 
wurde 1, 
veranlaßt uns, ein vergleichbares Objekt aus 
dem Umfeld des großen 
Podiumstempels 2 
im Dalheimer 
Tempelbezirk nun ebenfalls vorzustellen. Ein weiterer Aug- 
apfel dieser Art kam vor einigen Jahren während der Aus- 
grabungen beim Merkur-Heiligtum auf dem Puy-de-Dôme 
(Massif Central, F) 
zutage 3. 
Bei dem Dalheimer Fundstück handelt es sich um den rech- 
ten Augapfel 
(Abb.	1-2) 4 
einer einst vermutlich lebensgroßen 
oder etwas überlebensgroßen Bronzestatue. Er ist 3,3 cm 
breit, maximal 1,2 cm hoch, 2,1 cm tief und besteht aus glatt- 
poliertem 
Elfenbein 5. 
Die Oberfläche weist zahlreiche klei- 
ne Kratzer, Verfärbungen und, vor allem am Rand der Iris, 
mehrere Bestoßungen auf. Auf der Unter- und Oberseite sind 
Schleifspuren erkennbar. In der Seitenansicht ist das Objekt 
keilförmig (Abb.	1c,	2), so dass es gut in die Augenhöhle einer 
Statue eingepaßt werden konnte. Auf seiner Schauseite ist 
das Auge naturalistisch gestaltet: von länglich ovaler Form, 
mit leicht konvexer Wölbung und spitzen Winkeln. Es fehlt 
jedoch der Ansatz der Karunkel im inneren Augenwinkel. 
Die große Iris ist lediglich als runde, 1,4 cm breite und maxi- 
mal 5 mm tiefe Aussparung mit aufgerauhter Rückwand 
erhalten, die Pupille fehlt ganz; beide waren offensichtlich 
aus einem anderen Material gefertigt. Hierfür kämen zum 
Beispiel farbige Glaspasten oder Edelsteine in 
Frage 6. 
Die 
Iris war, wie die Aussparung deutlich zeigt, nicht völlig kreis- 
rund: An ihrer Oberseite fehlt ein Abschnitt. Dies erklärt 
sich mit Sicherheit durch das darüber ansetzende Augenlid 
der Statue, dessen (aus Bronze- oder Silberblech gefertigte?) 
Wimpern das Auge teilweise beschatteten. 
Farbige Augäpfel aus Bein wurden – eingefaßt von Wimpern- 
blechen – in die beim Guß offen gelassenen Augenhöhlen 
montiert. Die Anfertigung von Augen aus anderem Materi- 
al geht u.a. auf die Bronzebildhauer des archaischen Grie- 
chenland 
zurück 7. 
In Rom kam dieser sehr aufwendige, aber 
höchst veristische Effekt vor allem ab der späten Republik 
und in der frühen Kaiserzeit zum Einsatz. Spätestens ab ha- 
drianischer Zeit verzichtete man jedoch wieder auf diese Ge- 
staltungsoption 8. 
Dadurch ergibt sich für Fundstücke wie die 
Augäpfel aus Xanten, Dalheim und vom Puy-de-Dôme ein 
Datierungsansatz. 
Der Augapfel aus Dalheim stammt der Verfüllung einer gro- 
ßen Grube an der südöstlichen Ecke des großen Podiumstem- 
pels 
(Abb.	3,	Tempel	D) 9. 
Westlich davon befand sich ein zweiter 
Auge	um	Auge… 
Ein	seltenes	Fundstück	aus	dem	Tempelbezirk		 
des	römischen	Vicus	in	Dalheim 
Franziska	Dövener 
 1 
 J. zERREs, Aus den Augen verloren. Ein bemerkenswerter Beinfund aus dem 
Gebiet der Colonia Ulpia Traiana (Xanten), Archäologisches Korrespondenzblatt 
40, 2010, 243-249. 
 2 
 zum Dalheimer Tempelbezirk siehe: R. WAGNER, Archäologischer Rundgang 
um Dalheim, Luxemburg 1991, 46-57. – J. KRiER, Neue zeugnisse der 
Götterverehrung aus dem römischen Vicus Dalheim, Hémecht 44, 1992, 55-82, 
hier: 57-59. – C. oELsCHLÄGEL, Die Tierknochen aus dem Tempelbezirk des 
römischen Vicus in Dalheim (Luxemburg), Dossiers d’archéologie du Musée 
national d’histoire et d’art Viii, Luxemburg 2006, 14-24. 
 3 
 P. MENiEL, Un dépôt de pieds de porcs dans le sanctuaire de Mercure au som- 
met du Puy de Dôme, L’Archéologue, Archéologie Nouvelle 82, Février-Mars 
2006, 49-50. – zusätzliche informationen zu diesem Fundobjekt konnten leider 
nicht in Erfahrung gebracht werden. 
 4 
 MNHA inv. 1994-101/084. 
 5 
 Die Materialbestimmung erfolgte durch den Restaurator Rainer Fischer (MNHA). 
– Die zeichnung des Augapfels wurde von M. Diederich (Trier) angefertigt. 
– Für Fotos, graphische Hilfen und wertvolle Hinweise danke ich T. Lucas, 
F. Valotteau und J. Krier (MNHA). 
 6 
 siehe hierzu: zERREs a.o. 245 sowie G. LAHUsEN, E. FoRMiGLi, Der Augustus 
von Meroë und die Augen der römischen Bronzebildnisse, Archäologischer 
Anzeiger 108, 1993, 662 mit Abb. 15-19. 
 7 
 Farbig eingelegte Augen finden sich aber bereits im alten Ägypten oder 
in Mesopotamien, so z.B. bei der sitzstatue des Verwalters Ebih-il aus Mari 
(um 2400 v. Chr.). 
 8 
 zu Technik und Datierung siehe: zERREs a.o. 245-248 mit zahlreicher wei- 
terführender Literatur. – LAHUsEN, FoRMiGLi a.o. 670-671. – DiEs., 
Römi sche Bildnisse aus Bronze. Kunst und Technik, München 2001. – 
C. BRUNNENGRÄBER, zur Herstellungstechnik der Ruderkastenbeschläge, 
in: G. HELLENKEMPER sALiEs, H.-H. VoN PRiTTWiTz UND GAFFRoN, 
G. BAUCHHENss (Hrsg.), Das Wrack. Der antike schiffsfund von Mahdia, 
Ausstellungskatalog des Rheinischen Landesmuseums Bonn, Band 2, Köln 
1994, 1007-1008. – Außerdem zur Bronzebildhauerei und den zugehörigen rö- 
mischen schriftquellen: LAHUsEN, FoRMiGLi, Römische Bildnisse a.o. 9-16. 
 9 
 Fundkomplex 94-3/9.