110 Die Maske, die auf der Wandmalerei in einem der Korridore der Villa dargestellt ist (Abb. 5), zeigt wiederum einen ganz anderen Typus, nämlich eine jugendliche Maske mit idea- len Gesichtszügen und langen, welligen Haaren. Sie ist so an zwei Bändern aufgehängt, dass das Gesicht deutlich nach unten geneigt ist und sich dem Betrachter nahezu im Profil zeigt. Aufgrund der idealisierten Gesichtszüge und fehlender Attribute ist die Benennung der Maske nicht mit Sicherheit möglich. Da in dieser Zone der Wandmalerei Figuren und Gegenstände aus dem dionysischen Umkreis dargestellt sind, handelt es sich am ehesten um eine Mänadenmaske oder ei- nen jugendlichen Dionysos 16. Die Freskoverzierung stammt aus einer früheren Phase der Villa als das Mosaik. Sie ist ver- mutlich in die Zeit zwischen 120-130 n. Chr. zu datieren 17. Die oben beschriebene gemalte Maske ist insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Befestigung von Interesse, denn sie ist so dargestellt, als hinge sie frei an zwei durch Löcher in der Kalotte des Kopfes gezogenen Schnüren, die oben deko- rativ verknotet sind und deren Enden an beiden Seiten unter- halb der Maske herabhängen. Auch die großen Terrakotta- masken weisen durchgängig zwei Bohrungen im Zenit auf 18. Deshalb ist davon auszugehen, dass diese Masken in ähnli- cher Weise aufgehängt waren, und zwar, wie ihre Fundorte nahelegen, oft in den Zwischenräumen von Säulengängen. Auch die kleine Bronzemaske aus Schandel hat im Zenit in der rückwärtigen Haarzone ein kleines Loch, in dem sich ein messingfarbener Stift oder Nagel befindet, dessen Köpfchen auf der Innenseite der Maske zu erkennen ist. So könnte man sich auch bei dieser kleinen Maske vorstellen, dass sie – viel- leicht mittels einer Öse – hängend angebracht war. Die Wandmalereien wie auch das Mosaik sind von hand- werklich herausragender Qualität. Sie wurden von versier- ten und künstlerisch hochwertig arbeitenden Werkstätten ausgeführt. In allen Fällen sind starke Beziehungen zu Trier erkennbar, das als Hauptstadt der Treverer von entscheiden- dem Einfluss auf die ganze Region war. Diese Kunstwerke aus der Villa von Vichten sind aufschlussreiche Zeugnisse für die philosophische und literarische Bildung der Elite in dieser Region, denn die Wiedergabe der Musen in der von Hesiod festgelegten Reihenfolge ist sehr selten und belegt profunde Kenntnisse nicht nur in klassischer Literatur, sondern auch in der Welt des antiken Theaters mit den dazugehörigen Kostü- men, Instrumenten und Ausstattungsgegenständen. Die kleine Bronzemaske ist ebenfalls von handwerklich sehr guter Qualität, präzise und detailreich gearbeitet. Wenn ihre Fundumstände auch keine Aussagen zu Verwendung und Datierung ermöglichen, so lässt sich doch sagen, dass sie auf traditionelle Vorbilder aus den Theatergattungen Bezug nimmt. So sind Maskendarstellungen als wichtiger Gradmesser der Romanisierung anzusehen, seien es nun solche auf dem Mo- saik im Zusammenhang mit den Musen, in der Wandmalerei im Kontext einer dionysischen Thematik, lebensgroße Terra- kottamasken mit einer vordergründig dekorativen Funktion, in der aber ebenfalls die dionysische Hof- und Gartengestal- tung mit Krateren, Brunnenfiguren usw. mitschwingt, oder aber kleine Keramikmasken, deren Bedeutung als Grabbei- gabe gleichfalls einen dionysisch-eschatologischen Charakter hat. Die Verwendung dieses Emblems zeugt von der Iden- tifikation mit antiken hellenistisch-römischen Traditionen und bringt so die Zugehörigkeit zum Römischen Kulturkreis zum Ausdruck. In diesem Kontext ist auch die kleine Bronze- maske aus Schandel zu verstehen.< Abb. 4 Mosaik aus der Villa von Vichten mit der Darstellung der Muse Thalia (Detail), Nationalmuseum Luxemburg (© MNHA). 16 BARBET 2008, 254-262, bes. 258 Abb. 405, 406. 17 KRIER 2002, 48-51. 18 RoSE 2006, 17 z. B. Taf. 4 Kat. Nr. 56. Anders verhält es sich bei der Gruppe mit innen angarnierter Leiste, die zahlreiche Bohrungen hat.