106 Eine Miniaturbronzemaske aus Schandel Hannelore Rose Im Herbst des Jahres 2007 wurde auf einem Acker zwischen Schandel und Vichten eine kleine Bronzemaske entdeckt 1. Die Fundstelle liegt südöstlich der Straße von Schandel nach Vichten, in der Flur „in Haeschpelt“, Katasterparzelle Schandel A 681/1003. Bei dem Fundort handelt es sich um einen Bereich, der unmittelbar an die Flur „Kräizmier“ an- grenzt, auf der schon zahlreiche antike Bronzefunde zu Tage kamen 2. Vermutlich befand sich dort in römischer Zeit ein an der Verbindungsstraße von Arlon nach Bitburg gelegener, kleiner Vicus. Die Fundstelle ist ca. 1,2 km Luftlinie von der Mosaikvilla von Vichten entfernt. Wiederum war es ein De- tektorgänger, der die kleine, fast vollständig erhaltene weibli- che Theatermaske aus Bronze fand. Eine Replik des Objektes ist im MNHA in Luxemburg ausgestellt, das Original befin- det sich in der Privatsammlung des Finders. Die Maske (Abb. 1) ist sehr klein, insgesamt lediglich 3,05 cm hoch bei einer Breite von 1,5 cm und einer maximalen Tiefe von 0,88 cm, jedoch äußerst sorgfältig und detailliert gear- beitet. Ihre Oberfläche ist etwas korrodiert, wodurch die Na- senspitze stark abgeflacht und die Untergliederung der Haar- strähnen z. T. nur noch schwach erkennbar ist. Das Gesicht hat ebenmäßige und alterslose Züge. Es wird von großen, ausdrucksstarken Augen dominiert, die durchbohrt sind. Der Mund ist geöffnet dargestellt. Aufgrund der Frisur ist eindeu- tig ein weiblicher Maskentypus dargestellt. Das Gesicht wird von langen Haaren gerahmt, die sich über der Stirn zu einer hohen Masse auftürmen. Diese wird durch einen Scheitel in der Mitte untergliedert und von dort in breiten Strähnen zu den Seiten geführt. Die Strukturierung des Haares erfolgt durch Kerben, die am unteren Ende der Frisur noch deut- lich erkennbar, im oberen Teil jedoch stark verschliffen sind. An den Seiten reichen die Haare über das Kinn hinaus. Die Kopfhälften der Maske sind etwas asymmetrisch ausgebildet: Auf der rechten Seite der Maske ist die Frisur etwas höher und springt im unteren Bereich etwas zurück, während sich das untere Ende auf der linken Seite leicht nach vorne wölbt; auch der Scheitel ist, vom Betrachter aus gesehen, etwas nach rechts verschoben. In der Seitenansicht wird der komplizierte und kunstvolle Aufbau der Frisur deutlich: Durch ein breites Haarband werden die Haare nach vorne zur Stirn hin aufge- bauscht, wohingegen nach hinten eine flachere Zone gleich- mäßig schräg gekerbter Haarsträhnen folgt. Masken, die antike Schauspieler anlässlich verschiedenarti- ger Aufführungen im Theater trugen, sind durch einen star- ren Gesichtsausdruck mit großen Augenlöchern und einer ebenfalls perforierten Mundspalte gekennzeichnet – sofern es sich nicht um Pantomimenmasken handelt, die am geschlos- senen Mund erkennbar sind. Die kleine Maske aus Schandel zeigt auf den ersten Blick Kennzeichen einer Tragödienmaske. Masken, die dieser Theatergattung angehören, sind nämlich durch einen hohen Haaraufbau – den Onkos –, große, ausdrucksstarke Augen, die wie auch die Stirn pathetisch zur Mitte hochgezogen sind, und abwärtsgerichtete Mundwinkel gekennzeichnet. Auch wenn diese Charakteristika bei der vorliegenden Maske nur in abgeschwächter Form dargestellt waren, sind die hoch getürmten Haare und die leicht zur Mitte hochgezogenen Brauen gut erkennbar. Die langen, das Gesicht auf beiden Seiten rahmenden und nach unten über den Gesichtskontur hinausragenden Haarsträhnen finden sich gleichfalls häufig bei weiblichen Tragödien- und Pantomimenmasken 3. Den- noch ist eine Interpretation als Tragödienmaske nicht mit absoluter Sicherheit möglich. Denn auch die Masken der Neuen Komödie sind deutlich von solchen aus der Tragödie beeinflusst und in römischer Zeit verschwimmen die Gat- tungsgrenzen vollständig 4. Ganz eindeutig geht die Maske jedoch auf traditionelle, im Ursprung griechische Vorbilder zurück. Lokale Ausprägungen, wie sie sich z. B. bei einem 1 Für die Anregung zu diesem Beitrag, zahlreiche Auskünfte und die Bereitstellung der Abbildungen 1, 4 u. 5 danke ich Jean KRIER, Nationalmuseum Luxemburg, sehr herzlich. 2 KRIER 2004, 45. – KRIER 2008, 55-58. 3 z. B. JoRy 2001, Taf. 1, 4, 5. 4 Allerdings wurden in der römischen Komödie keine Masken mehr getragen.