99 
Empreintes 
2009 
dem Vorbild unterscheidet sich allerdings die Haltung des 
stark zu seiner Linken gesenkten Kopfes, auf den der nicht 
erhaltene rechte Arm zurück geführt war. Ansätze der rech- 
ten Hand sind noch im Haar zu erkennen. Auf Grund der 
starken Zerstörung wirken die vielen Bohrungen vor allem 
im Gesicht besonders entstellend. Zwei von ihnen markieren 
die Enden der Lippen und zwei weitere Bohrungen die Win- 
kel der Augenlider. 
Hinter diesem Knaben, in einer Position oberhalb von des- 
sen Schulter, kniet rückwärtig anschließend ein zweites Kind 
(Abb.	2	b-d). Seine rechte Hand ruht auf dem Haar des zuerst 
genannten Knaben, während sein linker Arm allgemein nach 
vorne gestreckt ist, dabei aber unklar bleibt, wo genau er en- 
det. Die Komposition macht zugleich klar, dass die Vorder- 
ansicht des zuerst genannten Knaben so etwas wie die Vor- 
deransicht der gesamten Komposition darstellt, denn auch 
der zweite bezieht sich darauf. 
Das Verständnis der übrigen Reste ergibt sich allein aus der 
Interpretation des Ganzen, die hier deshalb vorgezogen sei. 
Gruppierungen kleiner Kinder kommen bei verschiedenen 
Gottheiten besonders aus dem Bereich der Natur vor. Erin- 
nert sei etwa an das Bild der Eutheneia – also des Sinnbildes 
für den Überfluss der Natur – im Museum von Alexandria 7. 
Die liegende Frau wird von acht kleinen Knaben umspielt. 
Aus einer Villa in der Nähe von Torre Vaianica bei Rom 
stammen hingegen die liegenden Gestalten der Horen des 
Herbstes und des Winters, die heute im Museo Chiaramonti 
der Vatikanischen Museen ausgestellt sind 8. Die geflügelten 
Eroten unterstreichen in ihren Tätigkeiten dabei den Charak- 
ter der Jahreszeiten. Die Figuren um den Herbst ernten etwa 
Trauben, die um den Winter jagen Wasservögel. Die Kinder 
erscheinen aber einzeln und bilden keine Gruppen, in denen 
sie sich einander zuordnen würden. 
Gruppen von Kindern begegnen hingegen nur an der Perso- 
nifikation des Nil. Die Kinder geben dabei nach Aussage der 
antiken Schriftquellen die Ellen (pecheis, cubita) wieder, also 
die Höhe der Überflutung des Flusses, welche die Fruchtbar- 
keit des Landes garantiert 9. Plinius (N.H. 36,58) beschreibt 
eine Statue des Nil auf dem Forum Pacis des Vespasian mit 
sechzehn Kindern, die um ihn herum spielen, und an anderer 
Stelle (N.H. 5,58) hält Plinius sechzehn Ellen (ca. 8,5 m) ideal 
für eine möglichst reiche Ernte. Die Zahl an Kindern zeigen 
die aufwendiger gestalteten Statuen, etwa der Nil aus dem 
Iseum Campense (Abb.	3) 10. Nach Philostrat, der in seinen 
Gemäldebeschreibungen auf das Thema allgemein eingeht 
(Imag. 1,5), demonstrieren sie zugleich die Macht des Nil. 
Die Beschreibung gibt auch diverse Motive wieder, die sich 
in den rundplastischen Bildern nur teilweise wieder finden, 
etwa wenn er sagt, dass die Ellen an seinen Locken hängen – 
Abb.	1		Die Villa von Mersch-„op Mies“ mit ihrem großen Wasserbecken, nach dem Rekonstruktionsvorschlag von J. Zimmer (© MNHA).