88 Römische Kalkherstellung auf dem Gebiet des heutigen Großherzogtums Luxemburg – Ein Befund aus Wasserbillig1 Matthias Paulke In den vergangenen Jahren konnten der Archäologische Dienst des Nationalmuseums und der Archäologe der „Ad- ministration des Ponts et chaussées“ eine Reihe von Anlagen zur Kalkherstellung untersuchen. Angeregt durch die Ent- deckung zweier Kalkbrennöfen in Wasserbillig soll an dieser Stelle die Gelegenheit genutzt werden, die Erkenntnisse aus den Jahrzehnten im Überblick vorzustellen, zumal Luxem- burg hinsichtlich der historischen Kalkherstellung eine er- hebliche Forschungslücke aufweist. Der vorliegende Bericht ist allerdings besonders im Hinblick auf neuzeitliche Kalk- produktion keineswegs vollständig 2. Vielmehr sollen aus- schließlich die archäologisch beobachteten und untersuchten Fundstellen näher betrachtet und der Versuch unternommen werden, diese chronologisch einzuordnen. Im Zuge der Planung eines Neubauvorhabens in der Gemein- de Wasserbillig fand im Winterhalbjahr 2002/2003 auf der zu bebauenden Fläche eine archäologische Untersuchung statt. Vorrangig ging es darum, die antike Bebauung 3 und Topographie sowie die mittelalterliche und frühneuzeitliche Folgebesiedlung an dieser Stelle zu untersuchen 4. Der antike Vicus Suromag(i)um 5 lag an der römischen Fern- straße von Trier nach Metz. Bis zu Beginn des 20. Jahrhun- derts führte eine römische Steinpfeilerbrücke an dieser Stelle über die Sauer 6. Eine nachantike Besiedlung im Umfeld des Fundplatzes war belegt, da in unmittelbarer Nähe frühmit- telalterliche Bestattungen, eine frühmittelalterliche Kirche und eine Befestigungsanlage nachgewiesen sind 7. Im Zuge der Ausgrabungen konnte jedoch lediglich unterhalb der hi- storischen Hangkante der Sauer eine römische Schuttschicht nachgewiesen werden, was den Schluss nahe legt, dass sich die römische wie auch die frühmittelalterliche Bebauung nicht bis an das Ufer der Sauer erstreckte 8. Das zu untersuchende Gelände fiel ursprünglich zu den Flüssen Sauer und Mosel hin stark ab und wies bis zum Ausbruch des Zweiten Welt- krieges eine kleinteilige mittelalterliche und frühneuzeitliche Bebauung auf. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges entstan- den durch das Sprengen der Straßensperren massive Schäden an der angrenzenden Bebauung und der Grenzbrücke. Nach dem Krieg entschloss man sich, die Bebauung niederzulegen und das Gelände aufzufüllen 9. Auf der so versiegelten Flä- che befand sich für die nächsten 50 Jahre der Parkplatz des luxemburgischen Zolls. Erste Ergebnisse der Ausgrabung wurden bereits kurz nach dem Abschluss der Untersuchungen vorgelegt 10. Diese er- brachten den Nachweis einer kleinteiligen spätmittelalterli- chen/frühneuzeitlichen Bebauung des 15.-17. Jahrhunderts 11 (Abb. 1). Bemerkenswert war der Fund zweier großer Kalk- brennöfen. Es mangelte jedoch, wie so oft bei Produktionsan- lagen, an Hinweisen auf eine absolute Zeitstellung. Da sich das Verfahren der Kalkherstellung bis in die Neuzeit kaum 1 Gedankt sei an dieser Stelle dem wissenschaftlichen Grabungsleiter Dr. J. KRIER, den Kollegen Dr. F. DöVENER und Ch. BIS-WoRCH, Prof. L. CLEMENS (Trier) für seine hilfreichen Anmerkungen und Hinweise sowie meinem Kollegen A. SCHoELLEN für seine große Hilfe beim Zusammentragen der luxemburgischen Fundstellen und deren Ansprache. 2 Eine detaillierte Auflistung von Kalkproduktionsorten der vergangenen zwei- hundert Jahre in Luxemburg liefert die Internetseite www.industrie.lu 3 KRIER (1981) 95ff. 4 SCHAAF (1993) 144-145. 5 Vorläufig publiziert bei: BIS-WoRCH (2000) 103 Anm. 22 6 CüPPERS (1977) 180-181; ders. TrZ, 27 (1964) 278; TrZ 24-26 (1956-58) 582ff. 7 KRIER (1981) 95ff. 8 Das römische Fundspektrum nahm sich im Vergleich mit den großen Mengen mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Funde eher bescheiden aus. Zu den wenigen gefunden Keramikfragmenten gehörten Teile eines Faltenbechers, Fragmente von rauhwandig-tongrundigen Schüsseln mit verdicktem Rand (Typ Niederbieber 104), ein Reibschüsselfragment mit Horizontalrand und mehrere kleine bis sehr kleine Terra-Sigillata-Fragmente. Das Fundmaterial wird, auch in übereinstimmung mit den gefundenen Münzen einheitlich in die 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts datiert. 9 MATHIEU (1983). 10 PAULKE (2003) (2004). 11 Bei dem gefundenen Keramikmaterial „... dominieren Fragmente aus hellbrau- nem Steinzeug mit brauner Sinterengobe in der oberen Gefäßhälfte (Speicherer Ware 15./16. Jh.), Fragmente von Trichterhalsbechern aus grauem Steinzeug mit weiß-grauer Sinterengobe (Speicher 16. Jh.), Fragmente von Krügen mit eiförmigem Gefäßkörper, Wellenfuß und Dellenbanddekor aus hellgrauem salz- glasiertem Steinzeug (Speicherer Ware 16./17. Jh.)“ s. PAULKE (2003) 96. 12 USCHMANN (2006) 214ff.