57 Das Landschaftsbild an der Südwestgrenze des Großherzog- tums Luxemburg, zwischen Düdelingen und Rodange, ist ge- prägt durch die Cuesta einer zum Pariser Becken gehörenden Doggerformation, an deren stark zerlappter Stirnseite zwei größere Wasserläufe entspringen, einerseits die zum Mosel- Rhein-Becken gehörende Alzette, andererseits die Korn (Chiers), welche nach Westen zur Maas (Meuse) hin fließt. Durch Erosion haben diese Wasserläufe und ihre Neben- arme (‚Diddelengerbaach’, ‚Kael(er)bach’, ‚Maragole’, usw.) z.T. enge Täler in die geologischen Schichten der Cuesta ein- gegraben und so eine ganze Reihe von markanten Bergvor- sprüngen, wie z.B. den Titelberg, geschaffen sowie mehrere Auslieger- oder Zeugenberge von der eigentlichen Hochflä- che abgetrennt. Der zwischen Düdelingen und Kayl gelegene ‚Gehaansbierg‘ (Johannisberg, Mont-Saint-Jean) ist einer dieser Auslieger- oder Zeugenberge (Abb. 1). Mit seiner bei etwa 410 m über NN gelegenen Hochfläche überragt er die Niederung der 5 km weiter nördlich fließenden Alzette um gut 135 m. Nach Norden und Osten ist seine auffällige Silhouette bis weit ins Luxemburger Gutland hinein sichtbar. Der ‚Gehaansbierg‘ besteht jedoch nicht allein aus dem steil abfallenden Bergke- gel, welcher im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. ein spätrömi- sches Kastell1 und im Mittelalter u.a. eine imposante Burgan- lage 2 trug. Nach Westen, zur Niederung der ‚Kaelbaach‘ hin, setzt sich der Kegel mit einem etwa 50 m tiefer gelegenen, leicht abfallenden, rund 300 m langen Sporn fort, der heu- te bewaldet ist, auf dem sich in früheren Zeiten aber offen- bar die Gärten der Burganlage befanden. Dieser bereits auf dem Territorium der Gemeinde Kayl gelegene Sporn trägt den Katasternamen ‚Gehaanskneppchen’. Von der etwa bei 330 m über NN gelegenen Spitze des ‚Gehannskneppchen‘ fällt das Terrain (Flur: ‚an der Schurel‘, ‚oenner der Schurel‘) dann terrassenartig bis zu dem 520 m entfernten, bei einer Höhe von 280 m gelegenen Bett der ‚Kaelbaach‘ ab. Wäh- rend dieses Gelände in früheren Zeiten noch in zahlreiche kleinere Parzellen eingeteilt war und von mehreren verschie- denen Eigentümern bewirtschaftet wurde, befindet sich das gesamte Areal heute in einer einzigen Hand und wird nur noch als Weideland genutzt. Dass sich in den Ländereien unmittelbar westlich der bewalde- ten Spitze des ‚Gehaanskneppchen‘ eine römische Siedlungs- stelle befindet, ist seit den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts bekannt. In zwei in den so genannten „Fardes bleues“ der Section Historique de l’Institut Grand-Ducal im Museums- archiv aufbewahrten Briefen vom Herbst 1846 beschreibt der damalige Kayler Lehrer Schon die Lage der Fundstelle (mit einer erklärenden Skizze) sowie die dort getätigten Funde recht genau (Abb. 2): „A Monsieur l’Inspecteur d’écoles du canton Esch sur Alzette. Avis, concernant la découverte des fondements d’un ancien bâti- ment au ban de Kayl, lieu dit: In der Schourel. Au pied du Mont St Jean, A cicontre, s’adosse du coté du couchant la colline vulgaire ment nommée JohannisKnaeppchen B. En suivant cette colline dans la même direction c, d, e jusqu’à l’extrémité et en mesurant environ 60 mètres, toujours vers l’ouest à travers les parcelles de terre, dont la longueur se prend du Nord au Sud, on est sur la place meme C. qui se décèle assez par son sol pierreux mêlé de tuiles etcetera (?). – Le sieur Pauly Pierre propriétaire des parcelles en question, et la boureur à Kayl, en labourant son champ en 1842, a touché du soc de la charrue à des fondements. En y creusant, il a trouvé quantité de pierre murées dans les fondements; plusieurs de ces pierres portaient des figures. – Dans un appartement, la cuisine sans doute, il a trouvé des tablettes qu’il a employées pour sa maison. – Plusieurs espèces de monnaie y ont été trouvées. Malheureusement un juif inconnu en a fait l’acquisition. Celle que j’ai remise à Monsieur l’Inspecteur et qui porte l’image d’Antoninus Pius, a été trouvé en 1844. – Kayl, le 30 7 bre 1846 s. Schon.“ Kayl-„Schurel“: eine römische Villa im Westhang des „Gehaansbierg“ Jean Krier 1 Vgl. zusammenfassend L. BAKKER, Die Funde der spätrömischen Befestigung auf dem „Bockfelsen“ von Luxemburg, in: J. ZIMMER u.a., Aux origines de la Ville de Luxembourg, Luxembourg 2002 (= Dossiers d’Archéologie du MNHA Bd.VII), hier 43. 2 J. ZIMMER, Die Burgen des Luxemburger Landes, Luxemburg 1996, Bd. II, 60-63 Nr. 16.