76 Naturwissenschaftliche Untersuchungen an römischen Gläsern aus Hellingen Rainer Fischer Im Rahmen der 1991 vorgenommenen Neubearbeitung des Hellinger Reitergrabfundes (Abb. 1) von 1853 für die Ausstel- lung „Masque de fer“ in Saint-Germain-en-Laye (F) wur- den neben der Bronzemaske aus Grab A auch zwei braune Rippenschalen und ein Rippenbecher neu bearbeitet und res- tauriert. Wie der Amphoriskos aus Grab B, so waren auch die beiden fragmentarischen Rippenschalen und der Rip- penbecher aus Grab A mit Gips „vollgegossen“ und farbig gefasst. Mangels adäquaten Restaurierungsmaterials, wohl auch in Unkenntnis der entsprechenden Restaurierungstech- nik, entschied man sich vor 40 Jahren für eine sehr unortho- doxe Methode der sehr empfindlichen und fragmentierten römischen Glasobjekte, die aus ästhetischen und konserva- torischen Gründen rückgängig gemacht werden musste. Die „Gläser“ bestanden aus einem Gipskern mit eingelegten far- bigen Glasscherben. Da nur die drei oben genannten Glasobjekte und die Bronze- maske des Grabinventars eines „gallorömischen“ Veteranen für die Ausstellung und Publikation benötigt wurden und eine zerstörungsfreie Untersuchung der anderen kostbaren Gläser zum damaligen Zeitpunkt problematisch erschien, entschieden wir uns, die verbliebenen Altrestaurierungen aus Grab B, an dem Amphoriskos, an dem blauen Einhenkelkrug und an der Rippenschale zu einem späteren Zeitpunkt rück- gängig zu machen (Abb. 2). Seit fast sechs Jahren bieten die neuen Arbeitsräumlichkeiten des Luxemburger Nationalmuseums in Bartringen auch der Restaurierung archäologischer Objekte ausreichend Platz und eine gute Ausstattung, um mit auswärtigen Fachkolle- gen und Studenten zusammenarbeiten zu können. So wur- den vom Verfasser jeweils eine Diplom- 2 und eine Semester- arbeit 3, die sich mit der Problematik von Altrestaurierungen an den römischen Gläsern von Hellingen befassten, begleitet. Neben der „Restaurierung“ stand die naturwissenschaftliche Untersuchung der Gläser im Vordergrund. Des Weiteren wur- den Zustandsdokumentationen angefertigt und der kultur- historische Hin tergrund beleuchtet. Beim Studium der Fachliteratur bezüglich der Entwicklung der Glasherstellung kristallisierte sich sehr schnell eine For- schungslücke früher römischer Gläser des 1. Jh. v. Chr. und 1. Jh. n. Chr. heraus. Neben allgemeinen Formulierungen und Mutmaßungen über die Herstellungstechniken 4 und die Lokalisierung der Glashütten 5, bis hin zu den Wanderbewe- gungen der Glasmacher und den Verbreitungshorizont der Formen 6 blieben die Nachforschungen unbefriedigend. Die Hellinger Gläser wurden zu einer Zeit hergestellt, als die Glasbläserkunst durch die Erfindung der Glasmacher- pfeife revolutioniert wurde. Als Herstellungsort kommt ei- gentlich nur Norditalien in Betracht. Unter anderem spricht hierfür die in der Literatur gemachten Fundortangaben von Abb. 1 Der Fundort der Hellinger Gräber und die wichtigen frühkaiserzeitlichen Verkehrswege um den Vicus Dalheim 1 (Krier, Reinert / MNHA). 1