66 ist bis zum Ellbogen erhalten und kräftig angewinkelt. Wie von einem Windstoß bewegt, bauschen sich die Längsfalten des Gewandes über den Oberschenkeln auf. Der Oberbauch und die Brust des Wagenlenkers werden durch eine Art Kor- sett aus drei breiten Gurten geschützt 3. Der Kopf der Statuette, der nahezu halslos an den Oberkör- per anschließt, ist überproportional groß geraten. Dadurch wirkt der Wagenlenker sehr jugendlich. Auch die großen, weit geöffneten Augen, die kleine, flache Nase, die pausbäckigen Wangen und der weiche Mund mit den wie schmollend her- abgezogenen Mundwinkeln erinnern an die Physiognomie eines Kindes. Der Kopf wird von einer dichten Haarmasse bedeckt, die aus wild übereinanderfallenden, dicken Korken- zieherlocken besteht, bis zum Nacken reicht und die Ohren verdeckt (Abb. 3). Diese Frisur bildet über der Kalotte einen stumpfen Kegel und wirkt dadurch unnatürlich, fast wie eine Perücke. Gut vergleichbar, wenn auch wesentlich sorgfältiger gelegt, ist die Frisur eines tragischen Schauspielers, dessen Gestalt ein Bronzegefäß aus Avenches formt 4. Aus Amiens stammt die 5 cm große Bronzestatuette eines nubischen Sklaven, des- sen Haar auf ähnliche Weise dargestellt ist 5. Weiterhin fin- det sich diese Haartracht auf zahlreichen Balsamarien aus Bronze, seien es Büsten- oder Kopfgefäße, sowie auf Bron- zebeschlägen 6. Die so Dargestellten werden oft als jugend- liche Nubier oder Äthiopier bezeichnet, wobei für diese Be- nennung einerseits die Frisur, andererseits die Physiognomie ausschlaggebend zu sein scheint. Dementsprechend könnte der kleine Wagenlenker aus Altrier aufgrund seiner Haar- tracht auch als Afrikaner angesehen worden sein. Vor wenigen Jahren hat sich R. Thomas sehr ausführlich mit der Darstellung von Wagenlenkern in der römischen Kunst beschäftigt 7. Diese anläßlich einer aus dem Kunsthandel er- worbenen Bronzestatuette des Römisch-Germanischen Mu- seums Köln unternommene Untersuchung erlaubt es, den Altrierer Neufund im Zusammenhang einer bislang zahlen- mäßig recht überschaubaren Gruppe weiterer Wagenlenker- Darstellungen aus Bronze zu beurteilen. Demzufolge könnte unser auriga auf einem von zwei Pferden gezogenen Wagen, einer biga, gestanden haben. In der linken Hand hielt er wahr- scheinlich die Zügel, in der rechten wäre eine Peitsche oder eine Siegestrophäe (Palmzweig oder Kranz) zu ergänzen. Anders als die vergleichbaren Statuetten ist der jugendliche Wagenlenker aus Altrier unbehelmt. Diese unbehelmte Darstellung erinnert an das als „Parodie“ bezeichnete, sogenannte „Kleine Wagenrennenmosaik“ der Villa del Casale bei Piazza Armerina (Sizilien) 8. Dort sieht Abb. 3 Wagenlenker aus Altrier (© MNHA). 1 S. den Beitrag „Neues zum römischen Vicus von Altrier“ S. 59-64. 2 Für die Deutung der Statuette (inv. 2004-15/1750) als Wagenlenker und den Hinweis auf den Artikel von R. tHOMAS danke ich Jean Krier. 3 Diese Riemenkorsetts bestanden, wie auch ähnliche Bandagen an den Beinen, aus Leder oder Leinen. Zu ihrem Schutz trugen die teilnehmer an den Wagenrennen außerdem einen Helm aus Leder oder Filz. 4 A. LEIBUNDGUt, Die römischen Bronzen der Schweiz, II, Avenches (Mainz 1979) 53 ff. taf. 40 f. – Diese Skulptur wird in die mittelseverische Zeit (ca. erstes Viertel des 3. Jahrhunderts) datiert. 5 Amiens-Métropole (Hrsg.), La marque de Rome – Samarobriva et les villes du nord de la Gaule. Catalogue de l’exposition du 14 février au 16 mai 2004 (Amiens 2004) 160 Kat.-Nr. 247. 6 C. BRAUN, Römische Bronzebalsamarien mit Reliefdekor (BAR International Series 917) (Oxford 2001) 85 Kat.-Nr. 23-27 und z.B. H.U. Nuber, Antike Bronzen aus Baden-Württemberg (Schriften des Limesmuseums Aalen Nr. 40) (Winnenden 1988) 24, 60, 158 Abb. 58. 7 R. tHOMAS, Aurigae und agitatores – Zu einer Wagenlenkerstatuette im Römisch-Germanischen Museum Köln, KJb 34, 2001, 489-522. 8 G. DI GIOVANNI, Piazza Armerina – Roman Civilization through the mosaics of the Villa de Casale (Palermo 1987) 52 ff. ; R. thomas a.O. 512. 9 R. tHOMAS a.O. 492 nach G. Horsmann, Die Wagenlenker der römischen Kaiserzeit (1998) 19 ff. 10 Aus den Schuttschichten des kleinen tempelbezirks stammen terrakotta- Darstellungen weiblicher Gottheiten, neben den typischen „Matronen“ sind das auch tonfigurinen der Kybele, der Venus, der Juno und der Minerva. 11 R. tHOMAS a.O. 522. 12 R. tHOMAS a.O. 508 ff.