59 Neues zum römischen Vicus von Altrier Franziska Dövener Von Juni 2004 bis Juli 2006 untersuchte die gallo-römische Abteilung des MNHA im Ortskern von Altrier (Flur „Im vor- dersten Meesch“) archäologische Überreste der römischen Straßensiedlung (Vicus) (Abb.1 und 2). Die Grabung 2004 er- folgte zunächst als Notgrabung aufgrund bereits begonnener Baggerarbeiten für ein 0,75 Hektar großes Neubaugebiet 1. Der römische Vicus von Altrier lag an den Nebenstrecken der überregionalen Routen Reims-Köln bzw. Trier-Tongern und war vermutlich eine Ansiedlung von Händlern und Handwer- kern, ein lokaler Marktflecken mit Kultzentrum (Tempelbe- zirk) und eine Raststation für Reisende. Der antike Name des Ortes ist bislang nicht bekannt. Auf der Luxemburg-Karte von Gérard de Jode wird „Alt Trier” bereits im 16. Jahrhundert genannt ; seit dem 17. Jahrhundert ist es Gegenstand histo- rischer Forschung, u.a. durch Jean-Guillaume und Alexander Wiltheim. Der heutige Ortsname geht wahrscheinlich auf die oberirdisch noch gut sichtbaren, römischen Ruinen zurück, die als „altes Trier” (im Sinne von „Vorgänger Triers”) inter- pretiert wurden. Die neuzeitliche Besiedlung erfolgte erst ab der Mitte des 18. Jahrhunderts, jedoch waren schon um 1640 – während des 30jährigen Krieges – militärische „Schanzen” in Altrier errichtet worden, denen der Ort seinen zweiten Namen „op der Schanz” verdankt. Mit dem aufkommenden Interesse für Archäologie und Re- gionalgeschichte während des 19. und des frühen 20. Jahr- hunderts setzte in Altrier eine rege „Schatzgräberei” durch ortsansässige Grundbesitzer ein. In dieser Zeit wurden zahl- reiche Funde gemacht, das meiste davon ist jedoch undoku- mentiert und heute z.T. verschollen. Die erste methodische Ausgrabung im Jahr 1972 galt dem frühlatènezeitlichen, reich ausgestatteten Tumulusgrab am südlichen Ortsrand. Bei den Ausgrabungen von 2004 bis 2006 wurden überwiegend die Reste ziviler Bebauung, sogenannter „Streifenhäuser”, entlang einer sechs bis acht Meter breiten Straße in Nordost- Südwest-Richtung entdeckt. Weiterhin ergaben sich Hin- weise auf zwei Nebenstraßen. Durch die Forschungen von Johann Engling (1801-1888) wissen wir, dass es im Vicus eine zweite, nahezu parallele Durchgangsstraße gegeben ha- ben muß. Die Flucht der jetzt freigelegten Gebäude ist nicht völlig einheitlich und gibt dadurch Hinweise auf die Genese der antiken Siedlung. In den Streifenhäusern wurden sechs Keller freigelegt, von denen jedoch einer durch eine rezente Abwasserleitung erheblich gestört und drei weitere schon einmal ausgegraben worden waren. Überhaupt fanden sich im Gelände zahlreiche neuzeitliche Störungen (Abfallgruben u.a.). Außer den Streifenhäusern wurden auch mehrere zuge- hörige Drainagekanäle und zwei Brunnen (Abb. 3) untersucht. Letztere waren ca. 6,10 m bzw. 7,25 m tief und enthielten zahlreiches Fundmaterial (Keramik, Glas, Knochen, Holz usw.). Die Brunnen wurden vermutlich in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts mit Schutt verfüllt und später mit Kanä- len überbaut. 1 Zur Kampagne des Jahres 2004 (Juni bis Dezember 2004) s. F. DöVENER, Neue Forschungen an altbekannter Stelle – Der römische Vicus von Altrier, in : Musée Info – Bulletin d’information du Musée National d’Histoire et d’Art 18, 2005, 56- 57. – Die beiden darauffolgenden Grabungen dauerten von März bis Dezember 2005 bzw. von März bis Juli 2006. Abb.1 Die Grabungsfläche im Juli 2005 (© MNHA).