47 Die Wiedergabe einer Hirtenidylle auf einer römischen Pilgerflasche aus Echternach Henner von Hesberg Die Ausgrabungen von 1975/76 in der römischen Villa von Echternach-„Schwarzuecht“ brachten eine so genannte Feld- oder Pilgerflasche zu Tage, die bisher nur wenig Beachtung gefunden hat (Abb. 1 u. 2). Das etwa 31 cm hohe Gefäß ist von den Ausgräbern mit aller Sorgfalt publiziert worden, so dass sich sein bildlicher Schmuck gut beurteilen lässt. Das als Relief angelegte Emblem besitzt einschließlich des Orna- mentrahmens einen Durchmesser von ungefähr 11 cm 1. Die Ausgräber datierten das Gefäß in den Rahmen des 1. - 3. Jh. n. Chr., wobei dessen äußere Form zunächst keine Hinweise zu einer weiteren zeitlichen Eingrenzung liefert. Vergleichbar große und in der Form ähnlich gestaltete Fla- schen kommen mit verschiedenen Varianten während dieses Zeitraums häufiger im Bereich der germanischen Provinzen vor und besitzen unterschiedlich gestaltete Vorläufer aus der Zeit des 1. und 2. Jh. n. Chr. im Westen des Römischen Reiches 2. Allerdings bleibt die Flasche aus Echternach in die- sem Spektrum von ihrer bauchigen Form und auch von ihrer Größe her ein Unikat, denn die vergleichbaren Exemplare weisen meist geringere Abmessungen auf. Aus dem Gebiet von Luxemburg bietet sich als unmittelbarer Vergleich ein grünglasiertes Pilgerfläschchen aus dem Tempelbezirk von Bastendorf an, das durch den archäologischen Kontext in claudisch-neronische Zeit datiert ist 3. Die Rahmung des Bildfeldes (Abb. 2) findet allerdings kaum Parallelen im Bestand der bekannten, mit Bildfeldern ge- schmückten Keramik aus den Nordwestprovinzen. Denn eine größere Gruppe von Gefäßen, die im Rhônetal sehr be- liebt waren und vielleicht in Lyon produziert wurden, zeigt an dieser Stelle immer einen stilisierten Kranz aus Lorbeer oder anderen Blättern 4. Die kreisförmige Anordnung solcher Tropfen kommt nur selten vor, obwohl das Grundmuster selbst vergleichsweise einfach ist. Sie begegnet weder unter den Gefäßen oder den Lampen aus den Produktionsstätten der gallischen und germanischen Provinzen des 1. und 2. Jh., noch aus anderen Provinzen 5. Die Gestaltungsweise geht auf Vorbilder aus Italien zurück. Dort begegnet sie in allerdings stärker ausgearbeiteter und verfeinerter Weise an Gefäßen der frühen Kaiserzeit, die in Arezzo hergestellt wurden 6. Abb. 1 Luxemburg, Musée national d’histoire et d’art, Feldflasche, Inv. Nr. 1976-74/345, Zeichnung aus : J. Metzler, J. Zimmer, L. Bakker, Ausgrabungen in Echternach (Luxemburg1981) 226 Abb. 176. 1 Für Auskünfte und Hilfen bei der Beschaffung der Fotos bin ich Jean Krier, Nationalmuseum Luxemburg, zu großem Dank verpflichtet. Luxemburg, Musée national d’histoire et d’art, Inv. Nr. 1976-74/345. – J. MEtZLER, J. ZIMMER, L. BAKKER, Ausgrabungen in Echternach (Luxemburg 1981) 227 Nr. 144 Abb. 175. 2 H. BRUNStING, Het grafveld onder Hees bij Nijmegen – Een bijdrage tot de kennis van Ulpia Noviomagus (Amsterdam 1937, Reprint 1974) 107 Nr. 26 taf. 5 ; EAA Suppl. Atlante delle forme ceramiche I (Rom 1981) 49 taf. 22, 8-10. 3 F. REINERt, Bastendorf – ein frührömischer Kultplatz mit Münzopfer im nörd- lichen treverergebiet, in : A. HAFFNER, S. VON SCHNURBEIN (Hrsg.), Kelten, Germanen, Römer im Mittelgebirgsraum zwischen Luxemburg und thüringen, Akten des Internationalen Kolloquiums zum DFG-Schwerpunktprogramm « Romanisierung » in trier vom 28. bis 30. September 1998, Bonn 2000, 376. 4 P. WUILLEUMIER, A. AUDIN, Les médaillons d’applique gallo-romains de la vallée du Rhône, Annales de l’Université de Lyon 3,22 (Paris 1952) 22ff. Abb. 1-10. 5 Vgl. etwa den Überblick in : E. SCHALLMAyER (Hrgb.), Punzenschatz südgal- lischer terra Sigillata-töpfer (Stuttgart 1985). 6 H. DRAGENDORFF, C. WAtZINGER, Arretinische Reliefkeramik (Reutlingen 1948) 232 Nr. 552 taf. 37.