er reiste — in Frankreich, in Italien und Spanien, in England, Schottland und am Genfersee — war es nicht die freie, unberührte, sondern die bebaute Landschaft, die ihn anzog. Es gibt darum in seinem Oeuvre nur verschwindend wenige Landschaftsbilder, die auf Ge- bäulichkeiten und menschliche Staffage verzichten. Der unvergessliche «Regentag am Langensee» zählt dazu; er beweist, dass an Varlin ein grosser «reiner» Landschafter verloren gegangen ist. Lässt man die zahlenmässig imponierende Werk- gruppe «Stadtlandschaften und Gebäudeporträts» Re- vue passieren, so stellt man fest, dass der Anstoss da- zu aus ganz verschiedenen Richtungen kam. Da ist einmal Varlins Lust am Ausgefallenen, Bizarren, Grotesken. Ihr boten die architektonischen Zeugen der Gründerjahre und des Jugendstils reiche Nahrung. Dazu kam, dass Pietät zu den Lebensprinzipien des Malers zählte. Es bestand deshalb eine starke sen- timentale Beziehung zwischen ihm und der baulichen Szenerie, in welcher seine Eltern und zum Teil er sel- ber aufgewachsen waren. Sie kommt selbst dann, wenn er sich über architektonische Schnórkel und Verspielt- heiten offensichtlich lustig macht, unverkennbar zum Ausdruck. Was ihn aber an diesen Bildinhalten vor allem passionierte, war das, was ein Gebäude über die Men- schen, die es bewohnten, aussagte. Ein Spital, ein Gefängnis waren für ihn Sinnbil- der menschlichen Leidens; ein Pariser Ministerium mit seinem düster-mächtigen Säulentor und der verbliche- nen Trikolore verkörperte ihm die Staatsallmacht; von einer Kasernenfassade las er Glanz und Elend des Militárwesens ab. Vor allem aber: Er verstand es, diese seine Emotionen dem Beschauer des Bildes unmittel- bar mitzuteilen. Ein Gebáude war für ihn aber nicht nur stell- vertretend für die Schicksale und Tragódien, deren Schauplatz es war — er fasste es recht eigentlich als ein Individuum auf. Als ein Wesen, das gleich einem Menschen dem Altwerden, dem Siechtum, dem Tod ausgeliefert war, und dessen Lebensgeschichte von den Überresten einstiger Jugendschónheit, den Zei- chen allmáhlichen Zerfalis abgelesen werden konnte. Und wie er als Portrátist wenig Interesse für die blanke, glatte Jugend bekundete, seine Modelle zur p So lebt die Schweiz, 1968 Ol auf Spanplatte, 151X179 cm