hat er an ein Porträt mehr Zartgefühl gewendet, als an die Bildnisse seiner Mutter und seiner Schwester Erna; seine Stadtlandschaften, Gebäudeansichten und Innenräume sind eine einzige Liebeserklärung an die Architektur, die Zeuge seiner Knabentage war. — Wenn von Varlins Wesensart die Rede ist, wer- den stets und ausschliesslich seine Unverblümtheit, seine Sarkasmen, seine so maliziösen wie treffenden Kritizismen herausgestellt; aber wer hat je seine Her- zenshöflichkeit, seine Güte, sein Mitleiden, seine Treue erwähnt; wem fiel es auf, dass ihm seine Zynismen nur dazu dienten, ein feinorganisiertes, verletztliches Innenleben gegen die Aussenwelt abzuschirmen? Ein weiteres Faktum, das immer wieder als Be- weis für Varlins Aussenseitertum ins Feld geführt wird, ist seine Vorliebe für den Umgang mit Mitgliedern jener Gesellschaftsschichten, die gemeinhin als die «unteren» bezeichnet werden. Genau besehen ist es damit nicht weit her. Denn es gilt zu unterscheiden zwischen Modellen und Freun- den. Für Varlin, der in ungewöhnlich hohem Masse von der Präsenz des Modells abhängig war, stellte die Be- schaffung von Leuten, die Zeit und Lust zum Sitzen hatten, stets ein schwerzulösendes Problem dar. In den meisten Fällen sprangen Künstlerkollegen, Schriftstel- ler und andere, an keine feste Arbeitszeit Gebundene Arbeitslose in Neapel, die Weihnachtskrippe bewachend, 1961 Ol auf Lwd., 128X 119 cm